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"Wie wird man ein American Soldier?"
Ein weiterer Filmhinweis - "Full Metal Jacket" und Zitate dazu von Eugen Drewermann

FULL METAL JACKET: Produktion und Regie Stanley Kubrick (USA 1986)

South Carolina 1967. Im Camp von Parrish Island werden Joker und seine Kameraden auf traditionell brutale Art zu Marines gedrillt. Der Ausbilder bezahlt seine Profiarbeit mit dem Leben: Leonard, sein Lieblingsopfer, erschießt den Schinder, bevor er sich selbst tötet. An der Dschungelfront in Vietnam, nach der Tet-Offensive, geraten Joker - der inzwischen als Journalist Heldenberichte für die Soldatenzeitung 'Stars & Stripes' schreibt - und seine Kameraden in den Hinterhalt eines Heckenschützen. Die scheinbar einfache Wiedereroberung Hues gerät zum verlustreichen Desaster. Der Scharfschütze, ein Vietcong-Mädchen, wird von den Soldaten getötet, die Aktion aber überleben nur wenige. Die Schizophrenie des Krieges, dargestellt am Beispiel des Soldaten Joker: Stanley Kubricks meisterhafte Bearbeitung des Vietnamtraumas zählt neben 'Apocalypse Now' und 'Platoon' zu den eindrucksvollsten Filmen zum Thema. (s. Filmlexikon)

Eugen Drewermann über "Full Metal Jacket":

[Eugen Drewermann]
Eugen Drewermann, Theologe & Schriftsteller

Stanley Kubrick hat 1986... einen beeindruckenden Film über den Vietnamkrieg gedreht: Full Metal Jacket. Darin wird anschaulich gezeigt, wie man American Soldier wird.

Der erste Aspekt: Menschen sind als Personen vollkommen zu entwürdigen. Sie werden buchstäblich zusammengeschrieen, zusammengebrüllt, zusammengetreten, zusammengeschissen - und zwar permanent. Sie dürfen nicht zur Ruhe kommen, sie sind nichts. Sie sollen erleben, dass sie ein Haufen - man muss so reden, wie es bei dieser Art von Ausbildung geschieht - ein Haufen Scheiße sind, der überhaupt nur in der Uniform der Vereinigten Staaten von Amerika zum Menschen wird. Nur wer dieser Art von Gehirnwäsche unterzogen wurde, ist bereit, mit dem System einer gewalttätig verinnerlichten Gewaltbereitschaft so zu verschmelzen, dass er als Teil derselben seine Identität und Selbstachtung, was immer das dann sein mag, wiedererlangt. Es ist daher nicht nur die Frage: Warum lassen Menschen das mit sich geschehen. Die Frage lautet auch: Wie kann eine Gesellschaft, die sich als Verteidigerin demokratischer Werte versteht, eine solche Ausbildung zu ihrer Selbstverteidigung akzeptieren? Es ist ja nicht so, als wäre all das in den USA selbst nicht bekannt... Aber wenn Sie fragen, warum Menschen das mit sich machen lassen - Menschen lassen das mit sich machen, weil sie keine Hoffnung haben... Die Mentalität des Sich-selbst-Wegwerfens macht Ansprachen möglich, wie...: "Ihr seid zum Sterben bereit, und ich will euch zeigen, wo ihr sterben könnt."

Dies zeigt den zweiten Aspekt der militärischen Ausbildung: Nicht nur der Abbau der Selbstachtung, sondern auch der Abbau der Tötungshemmung ist wichtig. Auf Befehl wird alles Befohlene getan, und zwar bedingungslos. Es ist eine Illusion zu sagen: Ein Soldat ist ein Bürger in Uniform, ein demokratisches, mit der Gesellschaft in ihrer zivilen Größe identisch gebliebenes Subjekt... Er ist Teil eines Räderwerks des Todes. Er wird auf schizophrene Weise paralysiert. Unter der Maske der zivilisierten Persönlichkeit lauert fortan die Grimasse der andressierten Tötungsbereitschaft, der anerzogenen Killerinstinkte, des angewiesenen Mordreflexes. Und da dieser Zustand überall auf der Welt so besteht, stehen wir mit einem Fuß noch immer in der Steinzeit. Das Militär ist eine archaische und barbarische Männerhorde, ein Hindernis aller Kultur.

Den schlimmsten Beweis für die These des Kubrick-Films liefert in meinen Augen ein Gespräch, das Günther Jauch 1995 in RTL mit Major Charles Sweeney führte, jenem Bomberpiloten, der am 9. August 1945 den Pulk über Nagasaki gelenkt hat. Dieser Mann hat zusammen mit... dem Bomberpiloten über Hiroshima mehr Menschen getötet als jeder andere in der Geschichte. Günther Jauch also fragte ihn nach genau 50 Jahren, was er seitdem... gedacht, gefühlt und gemacht hat, wie er in seinem Alltag mit jener Erfahrung umgegangen ist. Sweeney wurde sehr ärgerlich, er verbat sich die Frage. Seine Antwort: "Ich bin Soldat, und Befehl ist Befehl, ich habe gemacht, was ich tun musste.".... Diese instrumentalisierte (Un-)Menschlichkeit definiert alles Soldatische.

Der dritte Aspekt ist die sadistische Verbrämung der Gewalt. Es ist vermutlich in dieser Ausgeprägtheit spezifisch amerikanisch, dass aller Umgang mit der Waffe sexualisiert wird - und zwar bis in die obszönsten Gesten hinein: Kubrick macht das am Parademarsch deutlich, bei dem die Männer sich selber in den Schritt greifen, indem sie das Gewehr als ihr obszönes Sexualobjekt mit ihrem Geschlechtsteil gleichsetzen. Im Golfkrieg konnten amerikanische GIs, nachdem sie ihren Job getan hatten, ich zitiere das jetzt wörtlich, erklären, "dass sie nicht hier vier Wochen lang herumgevögelt haben, um jetzt nicht zum Abspritzen zu kommen." Das Morden wird mit Sexualgenuss verbunden, die Bedingungen des Tötens, die Vergewaltigung des Gegners, sein "Flachlegen", das "Eindringen" in sein Fleisch, in sein Land...

Der vierte Aspekt ist neben der Perversion der Gefühle die vollkommene Zerschlagung des Denkens. In dem Kubrick-Film wird den Soldaten befohlen, an Gott und an die Jungfräulichkeit Mariens zu glauben. Sinngemäß heißt es da: "Gott liebt auf Erden nichts mehr als das American Marine Corps. Die US-Army braucht Gott nicht, aber Gott braucht die US-Army." ...

Ich bin fest davon überzeugt: Es gibt eine qualitative Weiterentwicklung der Humanität in der menschlichen Geschichte erst, wenn wir das Militär beseitigen.

(In Auszügen zitiert aus: Eugen Drewermann, Krieg ist Krankheit, keine Lösung. Eine neue Basis für den Frieden. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren. Freiburg: Herder-Verlag 2002, S. 55- 58)

Seite zuletzt geändert: 2002-04-21 wk.
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