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Amerika ist mehr als McDonalds und
die Flagge einer Supermacht -
Essay zu den Wochen des amerikanischen
Anti-Kriegs-Films
von Peter Bürger
(Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorf)
"Das erste Opfer des Krieges
ist die Wahrheit."
Hiram Johnson (1918, vor dem US-Senat)
"Stars and Stripes" wo immer man hinschaut! So erlebten es Freunde vor
wenigen Wochen mit großem Befremden auf einer USA-Reise. Wer als
Liebhaber einer globalen Menschenfamilie den Kult um Nationalflaggen
ohnehin für das überkommene Relikt eines widerlichen Götzendienstes
hält, dem werden die aktuellen Ausmaße des US-Patriotismus zum
ernsthaften Problem. Dieser präsentiert sich stolz und
selbstgerecht. Da ist gar von der Gottwohlgefälligkeit der
amerikanischen Nation die Rede. "Unendliche, grenzenlose
Gerechtigkeit", "dauerhaft gesicherte Freiheit" und vergleichbar
Absolutes darf proklamieren, wer sich so geliebt weiß. Der Mythos von
"Gut und Böse", das archetypische Muster unzähliger
Hollywood-Produktionen, gibt das Programm für einen langen "Krieg
gegen der Terror" her. Man zeigt uns ohne Unterbrechung den
abscheulichen Mordanschlag auf zwei Hochhaustürme, in denen
dreitausend unschuldige Menschen umkamen. Doch man tut alles, damit
wir den nicht minder abscheulichen Mord an tausendfachen zivilen
Opfern US-amerikanischer "Militäraktionen" in Afghanistan nicht zu
sehen bekommen. Die Propaganda rechnet mit unserer Vergesslichkeit,
mit jenem Alzheimer-Kurzeitgedächtnis, das man gewöhnlich bei den
Konsumenten billiger Soap Operas im TV voraussetzt: Wer gestern noch
als guter Freund präsentiert wurde und als Verbündeter unermessliche
Militärhilfe erhielt, der wird heute als Erzschurke vorgeführt. Was
gestern eine bloß innere Angelegenheit war, mochte es noch so
abscheulich sein, das wird jetzt auf einmal als weltbedrohende
Barbarei erkannt. Saddam Hussein, Bin Laden oder die Taliban stehen
stellvertretend für die einstigen Ziehkinder der USA. Früher, in den
Zeiten der US-Freundschaft, war es völlig uninteressant, welche
Verbrechen sie verübten. Heute sucht man die früheren Freunde
dringlich: "Dead or Alive!" Mit den Vergeltungssprüchen aus dem Weißen
Haus werden unsere primitivsten Stereotypen vom "Wilden Westen"
aktuelle Wirklichkeit. Da stehen sie vor uns, die Frommen, die
Gerechten, die Anständigen. Sie haben ob ihrer mehrheitlich
moralischen Sauberkeit das Recht, Todesurteile zu fällen und eine
Rache auszuführen, wie sie ehedem nur einem Gott vorbehalten war. Und
wir glaubten, jener Gottessohn, zu dem man in den USA betet wie
nirgends sonst in der westlichen Welt, habe uns die Vollkommenheit des
göttlichen Richters im Erahnen einer grenzenlose Güte und in der
Überwindung aller nationalen Egomanien nahegebracht. Sollten wir die
kriegerische Supermacht USA am Ende für ein Vollstreckungswerkzeug
jenes Gottes halten, "der seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und
Guten"? (Matthäus-Evangelium 5,45) Zurecht mahnen heute christliche
Autoren im Gefolge Jesu und mit Blick auf arabische wie amerikanische
Fundamentalisten: "Hütet euch vor den Guten!"
Jawohl, es stimmt, die Friedensbewegten sehen in offiziell
propagierten Ideologien und Doktrinen der US-Politik benennbare Feinde
des Lebens. Ihre "anti-amerikanischen" Vorurteile werden durch die
Regierung George W. Bushs auf Schritt und Tritt bekräftigt. Die
Supermacht erscheint als jene Kraft, die zur Solidarität mit der
gesamten Völkergemeinschaft am allerwenigsten befähigt ist. Während
der Planet - sattsam prognostiziert - auf vielfältige ökologische
Katastrophen zusteuert, verweigert sie eine Teilnahme am
Internationalen Klimaschutzabkommen. Die USA ratifizieren ebenso wenig
die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes, denn eine
Supermacht braucht neben oder gar über sich keine weitere Instanz, vor
der sie sich zu verantworten hätte. Und seit es diesen Internationalen
Gerichtshof nun wirklich gibt, möchte mancher im US-Kongress die
"American Soldiers" gegen jede Strafverfolgung durch die
Internationale Staatengemeinschaft immunisieren. Insgesamt haben
Vorgaben der UNO für die USA allzu offenkundig nur dann
Verbindlichkeit, wenn sie den nationalen Interessen dienen. Für die
Behandlung von Kriegsgefangenen im Rahmen der Terrorbekämpfung darf
man internationale Menschenrechtsstandards, Regeln einer
rechtsstaatlichen Justiz und Errungenschaften der Völkergemeinschaft
wie die Genfer Konvention ohne weiteres unberücksichtigt lassen. Nie,
so hören wir von offiziellen Regierungsvertretern in den USA, habe man
einen Zweifel daran gelassen, dass die eigenen Atomwaffen auch
wirklich zum Einsatz kommen können. Ja, entgegen allen internationalen
Vereinbarungen, so ein bekannt gewordenes US-Strategiepapier, könnte
man ja gegen Staaten, die selbst keine Nuklearwaffen besitzen,
zumindest Mini-Atombomben der USA einsetzen: Strahlenpilze, so
niedlich wie ein Bonsai-Bäumchen. Die Bomben auf Hiroshima und
Nagasaki sind von keinem amerikanischen Präsidenten je als das
bezeichnet worden, was sie sind: eine unaussprechliche Schande der
eigenen nationalen Geschichte. Ein solches Eingestehen - der einzige
Weg, aus der Geschichte zu lernen - würde die "Moral" der eigenen Army
am empfindlichsten Nerv treffen. Mit über 400 Milliarden Dollar
bestreiten die USA die Hälfte des weltweiten Militärhaushaltes. Mehr
als lächerlich ist, was daneben in eine Friedenssicherung durch
bessere Lebensbedingungen für die gesamte Menschengemeinschaft
investiert wird. Prozentual rangieren die USA in der Liste der
Entwicklungshilfe leistenden Nationen ganz weit unten. Auf dieser
Skala ist der letzte Rangplatz für die alleinige Supermacht kein
Problem. Und wenn auf UNO-Ebene im Jahr 2002 durchgreifende Maßnahmen
für eine gerechtere Weltwirtschaft beraten werden, hören wir von den
Vertretern der USA in zynischer Manier wirtschaftsliberale
Lösungsvorschläge. Die Liste der "staatsterroristischen" Verbrechen,
die von US-Regierungen zu verantworten sind, füllt für das
20. Jahrhundert ganze Buchreihen. Mag dieser Balken vor den Augen
einer kritisch informierten Weltöffentlichkeit noch so imponierend
sein: böse, böse sind immer nur die Anderen. Es sind immer nur die
Anderen, die verdeckt atomare, chemische oder biologische Waffen
produzieren. Es sind immer nur die Anderen, deren Technologie den
Massenmord perfektioniert...
Copyright: Arbeiterfotografie
Köln
Das Bild vom selbstüberheblichen, hässlichen Amerika finden wir auch
publizistisch ohne Mühe bestätigt. Die Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung vom 14.4.2002 bringt ein Essay des kalifornischen
Professors Victor Davis Hanson zum geplanten Irak-Krieg. Titel: "Das
Herz des Kriegers. Nicht nur sein technischer Vorsprung, sondern seine
Werte begründen die militärische Überlegenheit Amerikas." (Der Abdruck
dieses widerlichen Essays zeugt zugleich vom moralischen Niveau des
Blattes). Die USA bieten nach Hanson die ultimative Pax Romana: "In
2500 Jahren westlicher Zivilisation hat es kaum je eine alleinige
Weltmacht gegeben, die sowohl ihren Gegnern als auch ihren Verbündeten
militärisch so überlegen war wie die Vereinigten Staaten - und die in
den vergangenen zwanzig Jahren ihre imperiale Macht so beständig für
die Verbreitung der Demokratie und den Weltfrieden eingesetzt hat." -
Nun: Vor 2500 Jahren begann mit Buddha - gefolgt vom Rabbi Jesus aus
Nazareth - die wichtigste zivilisatorische Erkenntnis sich sehr klar
auszudrücken: Das "Böse" lässt sich durch Gewalttat nie und nimmer
wirksam bekämpfen. Der kalifornische Professor meint jedoch eine ganz
andere "Zivilisation", wenn er uns wissen lässt: Saddam Hussein wird
fürchterlich verlieren, und die USA werden - "ob mit oder ohne
Verbündete" - den kommenden Krieg [gegen den einstigen Partner im
Irak!] gewinnen. Die US-Truppen, so begründet Hanson seine
Prophezeiung, kämpfen ja für die besseren Werte, für "Freiheit,
Konsensdemokratie, .... Kapitalismus, religiöse Toleranz,
Individualismus, Gruppendisziplin, öffentliche Prüfung, Selbstkritik
und Egalitarismus." Nun hätte man bei soviel tugendhafter Selbstkritik
erwarten können, dass der Autor ein paar Informationen
hinzugesellt. Er könnte darauf hinweisen, dass der Irak nach neuesten
geologischen Schätzungen möglicherweise über die größten Erdölreserven
der ganzen Welt verfügt, größer als die der Saudis, und dass 80 % der
US-Wahlkampfspenden 2000 aus der Öl- und Energiebranche stammten. Man
fragt sich auch zum zigsten Male, warum denn nicht andere
verbrecherische, massenmörderische Regime im Sinne der proklamierten
Werte zum Ziel für "humanitäre US-Militärinterventionen" wurden oder
werden. Ja, wir leben in einer Welt, in der der Mächtigste sich und
anderen ohne Errötung vorlügen kann, was immer er auch will.
Nun geht die Friedensbewegung in Deutschland mit der eigenen
nationalen Regierung, die sich den USA in "uneingeschränkter
Solidarität" als Gefolgstruppe anbietet, kaum zimperlicher um, was die
kritische Beurteilung anbelangt. Unsere alten Bezugspunkte sind
ohnehin null und nichtig, seitdem die - ehemalige - Sozialdemokratie
Europas mit den Rechtsaußen der US- Republikaner längst innigliches
Liebkosen vorführt. Dumm und inhaltsleer ist der Pauschalvorwurf "Ihr
seid ja anti-amerikanisch!" allemal. Doch ich meine, auf eine Gefahr
macht dieses billige Totschlagargument aufmerksam: Die Grundfeste der
aktuellen US-Politik besteht aus propagierten Feindbilder. Aus solchen
Abgrenzungen und Zielscheiben leben Gruppen und ganze Nationen. Diese
archaische Gruppendynamik - in der Abgrenzung von den bösen "Anderen"
- ist ein Erbe, das die Friedensfähigkeit der menschlichen Gattung
ernsthaft in Frage stellt. Unversehens gerät jede Friedensbewegung in
den Sog dieses Erbes, wo für sie die Anklage einer "verbrecherischen
Supermacht" zum identitätsstiftenden Merkmal Nummer Eins wird. Wir
sollten illusionslos sein. Wer prophetische Kritik übt, benötigt eine
Reife sondergleichen. Er müsste heute an erster Stelle verkünden: "Ich
gehöre nicht zu den Guten!" (vgl. Markus-Evangelium 10,18). Im
anderen Fall wird er im Spiegel seiner Kritik sich schließlich selbst
sehen: ein Gesicht des selbstgerechten Moralismus und der glühenden
Feindbekämpfung. Dagegen gibt es allerdings kein Patentrezept, wenn
Menschen von einer Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit bewegt werden und
sich zum moralischen Widerstand entschließen.
Eine Alternative zum Bekämpfen von Feindbildern durch neue Feindbilder
ist das Bauen von Brücken. Dazu gehört auch, das hehre Selbstbild des
US-Patriotismus vorurteilsfrei wahrzunehmen und zu würdigen. Was,
bitteschön, spricht dagegen, die amerikanische Deklaration der
Menschenrechte als einen Meilenstein der menschlichen
Zivilisationsgeschichte hoch zu preisen? Doch dann klagen wir mit
Eugen Drewermann ein: "Die Bill of Rights ist nicht für amerikanische
Bürger allein gemacht, sie gilt für alle oder keinen." Sie gilt für
Menschen in Lateinamerika, in Afghanistan, im Irak oder im Iran nicht
minder als für jene, die unter "Stars and Stripes" leben. Ja, sie gilt
jedem Menschenantlitz auf diesem Planeten. Die Bill Of Rights, die
Grundfeste der US-Verfassung, lebt in der amerikanischen
Kultur. Dunkle Schatten der Geschichte wie Sklavenhandel und Rassismus
werden in großartigen Filmproduktionen vorgeführt (z.B. Steven
Spielbergs "Amistad" oder "Mississippi Burning" aus 1988). Nach dem
japanischen Angriff auf den US-Stützpunkt "Pearl Harbour", Hawaii,
unterzeichnete Präsident Franklin Delana Roosevelt 1942 eine
fürchterliche Order. Die Order autorisierte ein spezielles
Kriegssekretariat, über 100.000 US-Bürger japanischer Abstammung in
Lagern zu internieren. Die wunderbare Romanverfilmung "Snow Falling on
Cedars" (USA 2000; Buch David Guterson) bringt dieses dunkle Kapitel
im Zeichen der "wahren US-Werte" auf die Leinwand. Auch das
selbstherrlichste Nationalmuseum der USA klammert heute inmitten der
unzähligen Botschaften eines stolzen Patriotismus das vergangene
Unrecht an der "japanischen" US-Bevölkerung nicht aus. Inzwischen gibt
es in der ganzen westlichen Welt spezielle Order zum Umgang mit
Bürgern arabischer Herkunft. Dem Film "Schnee, der auf Zedern fällt"
kann man nach dem 11. September 2001 nur wünschen, dass er in vielen
Kinoprogrammen gut platziert wird.
In einigen kommerziellen Filmproduktionen leisten US-Bürger gegen die
menschenverachtenden Machenschaften von Großkonzernen gefährlichen
Widerstand (z.B. "The Insider", USA 1999). Das ist ebenfalls als
"patriotische Tat" des nicht korrupten Individuums zu verstehen. In
Kulturbeiträgen der genannten Art drückt sich oftmals ein Gefühl aus,
das auch hierzulande viele wache Menschen schon seit langem
beschleicht: "Man hat uns - wissentlich oder unwissentlich - in der
Schule betrogen. Man hat uns die Grundwerte des abendländischen
Humanismus und der demokratischen Zivilisation als etwas Unantastbares
nahe gebracht. Da gebe es etwas, das sei mit keinem Geld der Welt
aufzuwiegen oder zu kaufen. Nun sehen wir Stück für Stück: Alles
Lüge!"
Brücken gibt es viele. Einer der wichtigsten Chronisten des
internationalen "Staatsterrors" amerikanischer Weltmachtspolitik ist
der US-Intellektuelle Noam Chomsky. Kritische Christen, die dem
Unschuldswahn ihrer atombewaffneten Nation mit unglaublicher Courage
widerstehen, bieten in den USA ein Gegenbild zur Bibelausgabe im
McDonalds-Format. Natürlich stehen wir solidarisch an der Seite der
amerikanischen Friedensbewegung, die den sogenannten "Krieg gegen der
Terror" als "unamerikanisch" und als Geburtsstätte neuen Terrors
brandmarkt. Unsere friedensbewegten Freundinnen und Freunde in den USA
verstehen sich vermutlich mehrheitlich ganz klar als Patrioten. Sie
nehmen die amerikanischen Werte - Freiheit und Menschenrecht - radikal
ernst. Sie reklamieren diese Werte gegenüber jenen, die mit
Menschenrechten imperialistische Propaganda betreiben und sie
gleichzeitig mit Füßen treten.
Persönlich habe ich 1987 viele wunderbare Menschen in den USA kennen
gelernt. Ich begleitete damals einen todkranken Freund zu einer
speziellen Krebstherapie in Baltimore. Ich nenne stellvertretend nur
eine Zufallsbekanntschaft, die 75jährige Pat, eine aufgeklärte und
radikale Christin. Sie lebte mit ihrem geliebten Gatten, einem
atheistischen Marxisten, in vorbildhafter Toleranz. Sie hasste
eigentlich nur absolute Wahrheitsansprüche und hegte patriotischen
Bürgersinn auf ihre ganz eigene Art. Sie rezitierte für uns wunderbare
Gedichte ihrer kleinen Enkeltochter: "The flowers and the trees you
can love, because it is loving you." Pat kochte für meinen kranken
Freund, und sie pflanzte für ihn einen Lebensbaum in ihrem
Garten. Menschen wie Pat haben mir ein Bild des schönen Amerikas
vermittelt.
Menschen sind schön - überall auf der Welt. In der Friedensbewegung
sprechen wir an erster Stelle von Menschen, nicht von Regierungen. Für
Menschen auf dem ganzen Globus sind wir unterschiedslos parteiisch -
mit unserem Lieben und mit unserer Solidarität. Deshalb sind wir als
schärfste Kritiker des Kriegsverbrechers Ariel Sharon, des
Massenmörders Saddam Hussein oder des kriegstreiberischen
Ölkonzernlobbyisten George W. Bush selbstverständlich nicht "anti-
israelisch", "anti-irakisch" oder "anti-amerikanisch"!
Das Düsseldorfer Projekt der "Wochen des amerikanischen
Anti-Kriegs-Films" ist ein Versuch im Sinne des vorgeschlagenen
Brückenbauens. Wie haben amerikanische Kulturschaffende
Kriegserfahrungen ihrer eigenen Nation kritisch verarbeitet? Was hat
der US-Film außer den sattsam bekannten Leinwandszenarien von hoch
technisierten, globalen oder gar kosmisch- galaktischen
Kriegsschauplätzen zu bieten? Ist das Niveau jener Massenproduktionen,
in denen etwa Bürgerrechte und humane Ideale beiläufig und
fließbandmäßig von den "Helden der Sicherheit" mit Füßen getreten
werden, gültiger Ausdruck der amerikanischen Kultur und ihrer
moralischen Qualität? Wo finden wir eine Tiefe, die die Schablone von
"Gut und Böse", dieses zum Kotzen überstrapazierte Brechmittel aus
Hollywood, endlich hinter sich lässt? Wir sind mit unserer kleinen -
bei weitem nicht erschöpfenden - Auswahl fündig geworden, sehr
erfolgreich sogar: Deer Hunter (USA 1978), Platoon (USA 1986),
Apokalypse Now Redux (USA 1976-79/2000), Under Fire (USA 1982), Wag
The Dog (1997), The Thin Red Line (1998), The Sand Pebbles (USA 1966),
Tigerland (USA 2000), Good Morning Vietnam (USA 1987), Mash (USA
1969). Erwartungsgemäß steht "Vietnam" im Mittelpunkt, und die
Erinnerung an vergangene Erfahrungen, die einen breiten Protest nach
sich zogen, scheint wichtig zu sein. Was schmerzlich fehlt, ist eine
überzeugende Produktion, die vergleichbar mit dem japanischen Film
"Schwarzer Regen" (nach dem Roman von Ibuse Masuji) den mehrmals
hunderttausendfachen Massenmord durch US-Atombomben und das andauernde
Leiden der Strahlenverseuchten thematisiert. - Dass die älteste
Verfilmung von Erich Maria Remarques Anti-Kriegs-Klassiker "Im Westen
nichts Neues" (USA 1930) eine amerikanische Produktion - mit
denkwürdiger Geschichte - ist, sei an dieser Stelle wenigstens
angemerkt.
Unsere Kriterien waren einfach: Nur Produktionen aus den USA (deshalb
fiel z.B. der britische Film "Wie ich den Krieg gewann" mit John
Lennon durch das Raster) und zwar solche, die den Krieg eben nicht
propagandistisch verherrlichen. Am liebsten war uns eine klar
antimilitaristische Regie. "Anti-Kriegs-Film", das ist ein unscharfer
Begriff. Lässt sich "Under Fire" - als eine Antwort auf die
amerikanische Unterstützung von Somoza-Diktatur und Contras in
Nicaragua - darunter fassen? Gehört "Deer Hunter" mit seinen
patriotischen Zwischentönen und partiellen Blindheiten dazu? (Auch die
amerikanische Friedensbewegung versteht ihren Dienst an der
Gesellschaft ja als patriotisch, ob das nun nach unserem Geschmack ist
oder nicht!) Ist Humor diesem idealen Genre "Anti-Kriegs-Film"
zuträglich? Dürfen wir die Kunst in ein Korsett zwängen, in das nur
lupenrein "politische korrekte" oder gar explizit pazifistische Titel
passen? Zur Auswahl standen ja nicht vornehmlich
Avantgarde-Produktionen, sondern in vielen Fällen durchaus
kassenfüllende Erfolgsfilme. Und die haben ohne Abstriche zu bieten,
was wir zeigen wollen: Die Zerstörung des Individuums durch das
Militär, die Kriegsverbrechen der eigenen Armee, das Durchbrechen der
Ideologie von "Gut und Böse", die Entlarvung von vermeintlich sauberen
Interventionsgründen, die Medienlüge als Teil der Kriegspropaganda und
das Ringen um eine humane Gestalt des "Helden". Dabei kann es - wie im
Fall von "The Thin Red Line" (USA 1998) - auch zu einer tieferen
Philosophie kommen: Gibt es sie nicht, die "unverdorbene Natur des
Menschen"? Wie hat sich "dieses Böse", der Krieg, bei uns
eingeschlichen? Zu einer runden Story führt das nicht: "Die Lüge geht
immer weiter".
Vielleicht sind die Bilder unserer Filmwochen auch eine dürftige
Krücke, jene zensierten Bilder, die wir auch zukünftig auf unseren
Fernsehkanälen nicht zu sehen bekommen werden, irgendwie zu
repräsentieren. In einigen Arbeiten werden Opfer von GIs und die
menschlichen Ziele von amerikanischen Massenmordwaffen gezeigt. Wir
finden es wichtig, dass man es sieht: High- Tech-Waffen sind sauber
und unblutig nur für jene, die sie aus sicherer Entfernung bedienen.
Die Frage bleibt: Wie können wir mit Kurt Tucholsky - bezogen auf die
kamerafreien Kriegsschauplätze westlicher Militärs - heute sagen:
"Nagle dir diese Bilder an die Wand, zeig deinen Kindern, was das für
eine Schweinerei ist: der Krieg; was das für eine Lüge ist: der Krieg;
was das für ein Wahnsinn ist: der Krieg!"
Copyright: Arbeiterfotografie
Köln
Im aktuellen Zusammenhang zeigen uns Titel wie "Wag The Dog" oder
"Good Morning Vietnam", was öffentlich gerade nicht transparent werden
darf: Freiheitliche Ideale werden zur Farce angesichts der allzu
offenkundigen schwarzen Löcher in der derzeitigen
Medienberichterstattung. - Im Februar 2002 sah sich das Pentagon nach
einem Enthüllungsbericht der "New York Times" über ausgeklügelte
Propagandapläne des US-Militärs zu einem Dementi genötigt. Das
Pentagon beabsichtige nicht, zu lügen. Im Rahmen des "Krieges gegen
den Terror" war ein "Büro für strategische Beeinflussung" (OSI)
installiert worden. Bereits im Golfkrieg (1990) hatte man die
PR-Agentur Redon Group in Washington federführend an Kriegskampagnen
beteiligt. Über so genannte "psychologische Kriegsführung" waren auch
2002 erschreckende Originalzitate aus den USA zu lesen. Gleichzeitig
dienten Medienkampagnen nach dem 11. September 2001 der Verunglimpfung
von Kritikern - auch bei uns.
Ein gewichtiger Einwand im Vorfeld lautete: Einige der ausgewählten
Filme können auch den bedienen, der einer abscheulichen "Ästhetik des
Krieges" ohne Moral huldigt. Anti-Kriegs-Filme sind eben in den
meisten Fällen auch Kriegsfilme. Wir kennen doch zu Genüge die
geistigen Höhenflüge jener verirrten Ästheten, denen der Zugang zur
Schönheit des Menschlichen verborgen bleibt. Ihnen werden Ästhetik und
Ethik geradezu zum notwendigen Gegensatz. Sie feiern das Wahnsinnige,
das Blutige, das bodenlos Abgründige... Doch gerade dieses Krankhafte
und hoffnungslos Verlorene thematisieren Filme wie "Apokalypse Now"
meisterhaft: Es ist der Krieg selbst ein Werk von Geisteskranken, das
in den Wahnsinn führt.
Das sauberste und strengste Kriterium für einen Anti-Kriegs-Film würde
lauten: Er darf in keiner Hinsicht parteiisch sein. Er soll zeigen,
was Sache ist, und dabei Menschen unterschiedslos als Menschen und
nicht als Angehörige von Gruppen oder Nationen qualifizieren. Und wenn
er zeigt, wie Krieg die Menschen verdirbt, dann soll er es bei allen
zeigen. Und wenn er sympathisiert, dann soll er ausnahmslos mit allen
Opfern sympathisieren, die ein Menschenantlitz tragen. Doch genau
daraus lebt ja der Kriegsfilm, dass er von vornherein zum Krieg
verführt und den Zuschauer auf eine Seite bringt. Der Zuschauer soll
Teil des Kriegsgeschehens werden, in dem er sich klar einer der
Kriegsparteien zugehörig fühlt. Deshalb könnte der Anti-Kriegs-Film
auf das Schema "gut-böse" verzichten, während der Kriegsfilm und die
bestellte Kriegsberichterstattung in unseren Medien genau das nicht
können.
Nun wird auch der reinste Pazifist in den seltensten Fällen frei von
Identifikationen sein. Was geschieht etwa, wenn er John Irvins "The
Sound Of War" (USA 1998) sieht oder Spielbergs "Saving Private Ryan"
(USA 1998)? Er weiß u.a., dass die Intervention der amerikanischen
Befreier erst kam, nachdem für die US-Regierung schon lange klar war,
welcher Massenmord an Juden von den Nazis verübt wurde... Und doch
wird er in eine Verwirrung der Gefühle geraten. Er fühlt auf einmal
mit den amerikanischen Soldaten und ist selbstverständlich auf der
Seite all derer, die den deutschen Faschismus bekämpfen... Vielleicht
helfen solche Gefühlsverwirrungen im Bauch, das patriotische
Selbstbild von US-Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg und deren Ideale
erst einmal einfach ernst zu nehmen.
Bei unseren Projektüberlegungen kamen natürlich auch Titel zu anderen
Themen eines Brückenbaus zum Vorschein: Filmbotschaften, die im Sinne
der oben genannten Beispiele die Werte der US-Verfassung durch ihre
Kritik an Geschichte und Gegenwart für sich beanspruchen. Filme, die
sich etwa kritisch mit der Todesstrafe beschäftigen, könnten das
Anliegen unseres Projektes sinnvoll ergänzen. Doch gemessen allein am
weiten Feld des amerikanischen Anti-Kriegs-Films zeigen wir nur einen
kleinen Ausschnitt, der die amerikanische Politik im 20. Jahrhundert
betrifft. Nicht alles darunter erreicht jenen Maßstab, den etwa
Stanley Kubrik mit seinem "Full Metal Jacket" (USA 1986) vorgibt.
Um wirklich zu würdigen, was in unseren Düsseldorfer Filmwochen zu
sehen und zu hören ist, wäre der Vergleich mit anderen Werken aus den
USA äußerst hilfreich. Als Beispiel mag das monumentale Kriegsepos
"Pearl Harbour" (USA 2001, Regie Michael Bay) dienen. Die Beigaben zur
DVD-Ausgabe dokumentieren ausführlich die intensive Kooperation mit
dem Pentagon und die ausgiebige "militärische Unterstützung" für diese
sehr junge Produktion. Mit technischen Höchstleistungen gelingt der
Regie mit "Pearl Harbour" ein Kriegsfilm, der bezogen auf das Trauma
des 11. Septembers 2001 fast wie bestellt erscheint. Zusammenhalt, so
die Botschaft, ermöglicht die Rettung nach der nationalen
Katastrophe. Mit einem Jesus-Wort tröstet der Militärgeistliche den
sterbenden Soldaten wie einen Märtyrer: "Heute noch wirst du mit mir
im Paradies sein. - Geh mit Gott, mein Sohn." Das "Böse" kommt im
asiatischen Gesicht des Feindes zur dramatischen Darstellung. Während
in der Präsidentenumgebung nur ein farbiger Butler auszumachen ist,
bekommt ein anderer Farbiger, ein unbedeutender Schiffskoch, die
Chance, durch seinen unerschrockenen - wild dargestellten - Dienst am
vormals verbotenen Militärgerät zum Volkshelden
aufzusteigen. Sensibler wird freilich die Geschichte eines weißen
Piloten-Duos, das die "wahren Helden" verkörpert, nachempfunden. (Man
wünscht sich, die persönlichen Geschicke von Kriegsopfern aller Seiten
würden innerhalb des Genres vergleichsweise einfühlsam
vermittelt). Der heroische Dienst der Krankenschwestern wird zum
Vorbild. Diese patriotischen Frauen sind keineswegs prüde, sondern
ausgesprochen sexy. Die eilig beschafften Blutkonserven werden aus
sterilisierten CocaCola-Flaschen verabreicht. Den Ruf zum
todesbereiten Rachefeldzug im Schlusskapitel - "Wir fliegen auf
Tokio!" - beantworten alle Piloten brüllend mit "Ja!" (Die
eigentliche, spätere Rache für "Pearl Harbour" - durch experimentelle
Atombombenabwürfe auf zwei japanische Städte ohne Vorwarnung - wird
mit keiner Silbe erwähnt!) Der sentimental verklärte Patriotismus
dieses Films ist an den meisten Stellen nicht bloß eine
Geschmacksfrage. Inmitten der althergebrachten Stereotypen der
Militärpropaganda und aufwendigster technischer Effekte ist eine
ehrliche Betroffenheit über den Krieg als Niederlage alles
Menschlichen nicht auszumachen. Präsident Roosevelt resümiert in
diesem Opus von 2001: "Amerika hat gelitten, aber auch an Stärke
gewonnen. Die Zeiten haben uns vor eine harte Probe gestellt, und wir
sind daran gewachsen." Man kann sich - wieder mit Tucholsky - des
Verdachtes nicht erwehren, dass hier im Gewande des Toten- und
Heldengedenkens Reklame für einen neuen Krieg gemacht wird.
Nun freilich würden wir gerne wissen: Läuft heute auch in den Kinos
der USA, was wir in unseren Düsseldorfer "Wochen des amerikanischen
Anti-Kriegs-Films" auf die Leinwand bringen? Wir jedenfalls verstehen
unser kleines Projekt als Ausdruck der Verbundenheit mit
Kulturschaffenden dieses Landes.
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