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Die neue Zeit der Sklavereivon Dorothee Sölle
Mit der Zerstörung von Rechtsregeln, wie Mindestlohn, Kündigungsschutz, Gesundheitsschutz in Betrieben, entstehen vor unseren Augen neue Formen der Verelendung - denken Sie an die Näherinnen, die unsere T-shirts so wunderbar billig machen. "Deregulierung", wie die Weltbesitzer diese Rechtlosigkeit nennen, führt zu neuen Formen der Verelendung und der Sklaverei. Meine in Bolivien lebende Arzttochter erzählte mir gerade, dass eine der häufigsten Todesursachen von Erwachsenen im andinen Hochland jetzt Selbstmord ist. Eine 64jährige Frau, die ich flüchtig kannte, hat das billigste Mittel, Rattengift genommen. Die Verelendung ist so groß, dass die jüngeren Leute aus den Dörfern in die städtischen Slums fliehen, also in Betteln, stehlen, Prostitution oder Drogenhandel, und die älteren Zurückbleibenden keinen Sinn mehr im Weitervegetieren sehen. In einem der ärmsten Länder Afrikas, Burkina Faso, ist die Verschuldung so hoch, dass Menschen keine Möglichkeit mehr zum Überleben haben. Ich denke jetzt an eine 48 jährige Bäuerin, die 6 Kinder hat, die alle die Kinderkrankheiten überlebt haben. Die Männer in diesem Land verdienen das Geld, während die Frauen nur, wie es dann heißt auf den Feldern und im Haushalt arbeiten. Meistens arbeiten sie doppelt solange wie die Männer, aber sie verdienen kein Geld dabei, sie lebten jahrhundertelang von der traditionellen Tausch und Substizenzwirtschaft. Diese wird heute, das ist eines der Ziele des Neoliberalismus, von der Marktwirtschaft verdrängt. Sie kostet viel mehr Geld als die Männer verdienen oder bereit sind, zu Hause für die Familie abzuliefern. "Von Januar bis Juli", so sagt diese Frau, "war es oft zum Verzweifeln. Dann trocknete unser kleiner Brunnen aus und wir mussten weit laufen zur nächsten Wasserstelle oder wir mussten Wasser kaufen. Wir hatten kaum noch was zu essen. Gleichzeitig mussten wir die Felder für die nächste Regenzeit vorbereiten. Strom gab es auch nicht, und das Petroleum für die Lampen kostete Geld." Nur zwei von ihren 6 Kindern, die Söhne, gingen zur Schule, die Mädchen mussten die Feld-und Hausarbeit machen. Es ist eine Geschichte von einer extrem fleißigen und intelligenten Frau, die durch eine Alphabetisierungskampagne Lesen und Schreiben gelernt hat und mit Hilfe von Kleinkrediten und Beratung schließlich die Investitionskosten für Couscousproduktion bezahlten konnte. Sie ist eine Ausnahme in der verelendeten Welt, zu der 80 Prozent der Menschen gehören. Der größte und wichtigste Terrorist in unserer Welt ist nicht Osama Bin Laden oder die Taliban, sondern die neoliberale Weltwirtschaftsordnung, die die lokale Tauschordnung zerstört im Interesse der Selbstbereicherung der Reichen. In Burkina Faso gehen 58% des Bruttosozialprodukts in den Schuldendienst. Was wir wissen können, was wir sehen können sind diese neuen Formen der Schuldsklaverei. Alle sozialen Menschenrechte, dass ein Mensch von heilbaren Krankheiten geheilt wird, ein Kind zur Schule gehen und etwas lernen darf, und dass alle täglich satt werden, werden heute mit Füßen getreten. Und was tun wir?
Wir danken Dorothee Sölle für die Einsendung dieses Textes zum Projekt "Ökumenische Bekenntnisliturgie"
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Seite zuletzt geändert: 2002-11-06 wk.
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