Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen und Christen

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[Tauben Medley]
"Das Dunkel lässt sich nicht durch Waffen erleuchten. Das Dunkel entfernt sich nur, indem man Licht macht."

Johannes Paul II.

Aus unserem Friedensnetz

Predigt zu unserem Ökumenischem Friedensgottesdienst am 13.7.2003
Menschen auf jedem Kontinent: JA

Liebe Friedensfreunde, liebe Friedensfreundinnen!

Jeder der Menschen auf diesem Fries hat ein eigenes Gesicht, und doch teilt auch jeder die Hälfte seines Gesichtes mit dem Gesicht des Nachbarn. Der Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet hat sein Bild "Wir gehören doch alle zusammen" genannt, - und er drückt damit Realität aus - aber zugleich auch eine Vision. Die Realität besteht darin, dass wir alle Menschen sind, und als Menschen sind wir Verwandte. Es mögen uns kulturelle und ökonomische Unterschiede oder Traditionen trennen, aber fragen wir einen Menschen aus Asien: Brauchst Du Liebe? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen Menschen aus Afrika: Brauchst Du Anerkennung? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen Menschen aus Russland: Brauchst Du Geborgenheit? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen Menschen aus Australien: Möchtest Du glücklich sein? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen Menschen aus dem Nahen Osten: Möchtest Du im Frieden leben? Und er wird sagen: Ja!

Immer dann, wenn wir Menschen einander unverstellt begegnen, - wenn wir so miteinander ins Gespräch kommen, dass wir uns unsere elementaren Bedürfnisse eingestehen, - wenn wir davon reden können; was wir zum Leben brauchen, was uns gut tut, was uns trösten und helfen würde, - werden wir die Erfahrung machen, dass es vieles gibt, was uns miteinander verbindet, - dass wir nicht nur einander ähnlich sind, sondern im Innersten verwandt.

Und kommen wir noch tiefer ins Gespräch und lernen uns kennen, werden wir auch erfahren, wie sehr wir einander brauchen und ergänzen können. Denn sind wir einander auch gleich in unseren Grundbedürfnissen, so sind wir doch verschieden in unseren Fähigkeiten. Aber haben wir entdeckt, was wir alle nötig haben, dann kann daraus die Frage entstehen, wie wir einander helfen können, - jeder mit dem, was er besonders gut kann.

Nun höre ich von überallher Stimmen, die sagen: Das ist Spinnerei, das sind Träume und Illusionen, - und diese Stimmen kommen auch aus meinem eigenen Inneren.

Die Erfahrungen, die die Menschheit mit sich selber gemacht hat und immer noch macht, sind ganz andere: Da verhindern Vorurteile und Ängste, dass Menschen einander unverstellt begegnen; da bewirkt unser Gotteskomplex, dass wir mächtiger, erfolgreicher, wohlhabender sein wollen als andere; da regiert uns die Egomanie, die nur noch Ich,Ich,Ich sagen kann; da verführt uns der Neid zum Hass und der Hass zur Gewalt. Da sehen wir im anderen nicht mehr das Menschengesicht, unserem ähnlich, sondern nur noch eine Fratze, in die wir hineinschlagen; da werden Herz und Verstand benebelt von Ideologien, - gerade auch von religiös begründeten Ideologien, - die uns Allmächtigkeit suggerieren und uns sogar blind werden lassen für unsere eigenen Lebensinteressen; da betrachten wir unsere Erde nicht als Lebensgrundlage, sondern beuten sie rücksichtslos aus und machen sie zur Müllhalde.

Das ist unsere Realität, - so könnten wir dem Künstler dieses Bildes entgegenhalten. Und doch malte er dieses Bild, - als Protest gegen die Resignation.

Denn was bringt die Resignation? Stillstand und Müdigkeit. Natürlich hat die Resignation immer recht. Sie sagt: "Siehst du, das habe ich schon vorher gewusst. Das hat doch alles keinen Zweck! Die Menschen sind nun mal so. Was soll man sich darüber aufregen. Es lässt sich doch nichts ändern...."

Und damit raubt sie uns das Leben.

Es gibt einen Blick in die Vergangenheit, der uns die Zukunft verbaut. Es ist der Blick auf das Scheitern der Menschheit an der Friedensfrage; auf das Scheitern so vieler Versuche, Kriege und gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern. Dieser Blick zurück kann uns lähmen. Und es ist schwer, sich dieser Lähmung zu entziehen.

Es gibt einen harten Satz Jesu im Neuen Testament, der uns - immer wieder - aus solcher Lähmung herausholen könnte. Jesus sagt zu seinen Jüngern: "Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann Gott nicht gebrauchen", - gemeint ist: für die Arbeit an dem, was Jesus das "Reich Gottes" genannt hat: also für die Mitarbeit an einer besseren Welt, - für die Arbeit an der Zukunft.

Dass dies keine leichte Arbeit ist, zeigt das Leben Jesu. Aber - und das ist die Lebensbotschaft des Mannes aus Nazareth: es gibt dazu keine Alternative, die dem Leben dient. Die andere Seite wäre der Stillstand, die Langeweile, der müde Tod.

Uns Christen ist damit die Unermüdlichkeit ins Stammbuch geschrieben; die Zähigkeit der Hoffnung; das Wuchern mit unseren Pfunden, wie es in einem Gleichnis Jesu heißt, d.h. der volle und radikale Einsatz unserer Fähigkeiten; das Leben als Experiment, auf Zukunft ausgerichtet.

Woher die Kraft dazu nehmen?, wird uns mancher fragen.

Der Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet nimmt sie aus dem Leben selbst.

Ich habe ihn einmal kennen gelernt: Ein kleiner, schwerst hörbehinderter Mann, dem die Lebenslust aus den Augen spricht, - und die ist überall in seinen Bildern zu finden, ja, sie springt den Betrachter förmlich an. "Wir gehören doch alle zusammen", das ist gleichsam sein Leitmotiv. Es geht ihm, besonders auch mit seinem berühmt gewordenen Bild an der Berliner Mauer, um die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben aller Menschen und Kulturen. Und er scheint der Meinung zu sein, dass dazu nicht so sehr viel gehört, wenn sich nur alle Menschen auf ihre Freude am Leben besinnen würden, - auf ihre Lebenslust, - auf die Freude an der Entdeckung von Gemeinsamkeiten; - auf die Neugier und die Freude am Fremdartigen und am Andersartigen bis hin zu gemeinsamen Festen mit gutem Essen und Trinken.

"Nur gemeinsam können wir unsere Ziele und Träume verwirklichen, - alleine ist es nicht zu schaffen", sagte er in einem Interview. - Man mag diesen Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet als naiv bezeichnen. Das wird der kluge Pessimist sicher tun. Aber wenn wir das Leben als etwas Heiliges erkennen, als ein Geschenk Gottes, dann haben wir allen Grund, das Leben - und nicht nur unser eigenes

Leben - zu bewahren, zu schützen, zu verteidigen - und wie könnten wir das, ohne es auch zu genießen.

"Freunde, dass der Mandelzweig, sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt", heißt es in dem bekannten Lied von Schalom Ben-Chorin, das er mitten im Zeiten Weltkrieg schrieb.

Das Leben haben wir alle gemeinsam und es ist für uns alle das Wertvollste, das wir haben. Es muss gelingen, das allen Menschen, durch alle Unterschiede der Traditionen, der Kulturen und der Religionen hindurch und gegen die zerstörerischen Kräfte der Egomanie, - auch in uns selbst - bewusst zu machen.

Uri Avneri, 80 Jahre alt, hat die "Gemeinsame Israelisch-Palästinensische Aktionsgruppe für Frieden" mitbegründet. In einer Rede sagte er - allen Schwierigkeiten zum Trotz: "Aber wenn wir zusammen handeln - mit Nachdruck und Entschlossenheit -, wird unsere Vision sich durchsetzen".

Wir brauchen ein universales Konzil des Lebens und damit des Friedens aller Christen, wie es 1968 auf der Weltkirchenkonferenz in Uppsala gefordert wurde. Wir brauchen ein Konzil des Lebens und damit des Friedens aller abrahamitischen Konfessionen und danach aller Religionen dieser Welt. Dafür lohnt es sich, zu leben und zu arbeiten. - Amen.

(Predigt am 13.Juli in der Johanneskirche Düsseldorf von Dr. Hans-Georg Wiedemann)


Shalom-Salaam

Kritik an der israelischen Regierung hat mit Antisemitismus nichts zu tun. (Auch Palästinenser sind übrigens "Semiten"!) Viele Juden auf der ganzen Welt, amnesty international und jüngst die UNO-Menschenrechtskommission benennen die Militärpolitik der Regierung Sharon gegenüber den Palästinensern unumwunden als Kriegsverbrechen.

In einer Schieflage dürfen jetzt aber palästinensische Verbrechen wie die Selbst-Mordattentate in keiner Weise verharmlost werden. Sie kosten unschuldigen Menschen das Leben und sind die eine Seite der Gewaltspirale im Nahen Osten. Mit dem Propheten Jesaja (32,17f.) ersehnen wir Gerechtigkeit und Frieden für die Menschen in Palästina und Israel: "Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, und die Tat der Gerechtigkeit Ruhe und Friede für immer: Mein Volk wird in einer Aue des Friedens leben, in sicheren Wohnungen an stillen und ruhigen Plätzen."

In der deutschen Friedensbewegung herrscht ein breiter Konsens über die "doppelte Solidarität" mit Israel und Palästina. Wir sind parteiisch für alle Opfer von Gewalt, gleich welcher Religion, Ethnie oder Nation sie angehören. Um dies aktuell auszudrücken, regt unser Ökumenisches Netz an, in der Friedensbewegung mit dem doppelten Frieden - in der Sprache Israels und in der Sprache der arabischen Welt - zu grüßen: "Shalom-Salaam" oder "Salaam-Shalom".


Leitgedanken für eine Kritik an der menschenverachtenden Militär-Politik der Regierung Ariel Sharons im Hinblick auf "antisemitische" Gefahren bei uns

Unsere menschliche Solidarität ist mit Blick auf den Konflikt im Nahen Osten unteilbar. Sie gilt gleichermaßen den israelischen wie den palästinensischen Menschen. Sie sind unsere Schwestern und Brüder. Zusammen mit einer breiten Ökumene setzen wir uns ein für einen Frieden beider Völker mit der Zielsetzung: "Gerechtigkeit für das palästinensische Volk im eigenen Staat, ohne Besetzung; Sicherheit für das israelische Volk ohne Bedrohung und Angst; Achtung der Menschenrechte aller Bürger und eine Zukunft in Gleichheit, die die Möglichkeit zu Vergebung öffnet." Ohne eine Überwindung des Kreislaufs von Angst, Gewalt und Rache kann es für Israelis und Palästinenser keinen Frieden geben.

Menschen jüdischen Glaubens in Israel und überall auf der Welt kritisieren öffentlich die Politik der derzeitigen israelischen Regierung. Gleichzeitig vermischen andere Stimmen durch irrationale Strategien Fragen des Glaubensbekenntnisses, der ethnischen Zugehörigkeit und der aktuellen nationalen Politik. Zum einen tun das jene, die in unzulässiger Weise jede Kritik an der nationalen israelischen Politik als "Antisemitismus" diffamieren. Zum anderen tun dies auch diejenigen Stimmen, die ihre abscheuliche antisemitische Gesinnung heuchlerisch im Gewand einer Kritik an der israelischen Militärpolitik transportieren.

Angesichts dieser dumpfen Vermengungen und der bleibenden Gefahren des Antisemitismus legen wir die folgenden Leitgedanken vor. Wir werden diese Grundsätze nicht bei jeder Gelegenheit wiederholen.

  1. Die Glaubensgeschichte Israels hat die gesamte Völkerwelt für alle Zeiten mit ihrem Reichtum beschenkt. Sie verbindet insbesondere Juden, Christen und Muslime auf der ganzen Welt. In der prophetischen Religion des Volkes Israel ist die Botschaft von der unbedingten Würde jedes Menschen und der Unverletzbarkeit jedes Menschenlebens, die Verbindung von Gottesehrfurcht und Mitmenschlichkeit sowie die Vision eines umfassenden Friedens aller Völker begründet.
  2. Zahlreiche Juden, darunter etwa Martin Buber und Albert Einstein, gehören zu den wunderbarsten Vertretern einer universalen menschlichen Solidarität und haben ihre antimilitaristische Gesinnung auf unvergleichliche Weise zum Ausdruck gebracht. Das halten wir nicht für einen Zufall. Unter den Gründervätern des heutigen Staates Israel lebte die Überzeugung, dass die Leiden eines einzigen arabischen Kindes ihre Bewegung Lügen strafen würde.
  3. Zu den größten Verbrechen der Menschengeschichte gehören "Antisemitismus" bzw. "Antijudaismus" in Gesinnung und Tat. Für dieses Verbrechen, das in einem millionenfachen Massenmord mündete, trägt die sogenannte "christliche Kulturwelt" eine weit zurückreichende Verantwortung. Der unbeschreibliche Massenmord an Juden im faschistischen Deutschland ist eine dunkle Last, ohne die Gründung, Geschichte und Politik des Staates Israel kaum richtig verstanden werden können. Wenn Überlebende des Holocaust und Nachfahren der Holocaust-Opfer von "Sicherheit" reden, dann meinen sie keine leicht dahergesagte Stärke-Floskel.
  4. Mittelbar ist dieser geschichtliche Hintergrund auch für die Leiden des palästinensischen Volkes mitverantwortlich. Ganze palästinensische Generationen leiden bis heute unter Fluchtschicksal, Verfolgung, willkürlicher Militärherrschaft, kollektiver Demütigung und Missachtung. Der palästinensische Befreiungskampf ist auf dem Boden von Ungerechtigkeit und Unterdrückung gewachsen. Im jahrzehntenlangen Zirkel von Gewalt und Gegengewalt haben sich Hass und Feindseligkeit im Nahen Osten in den Herzen von Menschen tief eingenistet. Eine Versöhnung zwischen Palästinensern und Israelis scheint uns nur vorstellbar, wenn Erinnerung und das gegenseitige Eingestehen von Schuld möglich werden.
  5. Wir können nicht ignorieren, dass die berechtigte Kritik an der politischen Führung des Staates Israel aktuell einhergeht mit der Gefahr neuer antisemitischer bzw. antijudaistischer Parolen und Gewalttaten in Europa. Erklärte Antisemiten finden einen willkommenen Anlass, ihrer abscheulichen Gesinnung Ausdruck zu verleihen. Das giftige Erbe des Antisemitismus schlummert als unbewusste Haltung vielleicht in mehr europäischen Menschen, als wir ahnen. Dieses Gift kann sich aktuell auch auf dem Weg politischer Stellungnahmen Bahn verschaffen. Als christliches Friedensnetz distanzieren wir uns prinzipiell von jeglichem Antisemitismus, wie verdeckt oder offen er sich auch immer ausdrücken mag. Wir sehen uns damit in einer selbstverständlichen Übereinstimmung mit der gesamten Friedensbewegung.
  6. Gleichzeitig distanzieren wir uns von jeglicher Sympathie für vergangene oder zukünftige Selbstmordattentate, denen israelische Männer, Frauen oder Kinder und irregeleitete Palästinenser zum Opfer fallen. Terrorakte mit unschuldigen Opfern können in unseren Augen kein legitimes Mittel eines palästinensischen Befreiungskampfes sein. Mord bleibt Mord, und Opfer bleiben Opfer. Daran können auch verstehbare Hintergrundmotive, eine "gerechte Sache" oder die Ohnmacht von Befreiungskämpfern angesichts einer gewaltigen militärischen Übermacht nichts ändern.
  7. Die menschenverachtende Politik des derzeitigen israelischen Regierungschefs Ariel Sharon hat ihre völlige Unfähigkeit zur Beförderung des Friedens im Nahen Osten endgültig offenbart. Sie hat den Terror - u.a. durch mutwillige Provokationen - weiter angestachelt, Menschenrechte vor den Augen aller Welt durch staatlichen Terror missachtet und Vorgaben der Internationalen Staatengemeinschaft beharrlich ignoriert. Aktuell hat sie dem Frieden offen den Krieg erklärt. Am 9.1.2002 warnte die frühere Erziehungsministerin Shulamit Aloni davor, die verbrecherische Politik Sharons durch den "Antisemitismus-Vorwurf" ständig gegen Kritik zu immunisieren. (www.gush-shalom.org). Andere Stimmen in Israel möchten Sharon vor dem Internationalen Gerichtshof für Kriegsverbrecher sehen, dessen Statuten Israel und die USA noch nicht ratifiziert haben (vgl. ebd.). Unsere Kritik steht in Solidarität mit der israelischen Friedensbewegung, in der sich das kostbarste Erbe des israelischen Volkes und der ganzen Menschenfamilie ausdrückt.
  8. Wir halten es für unabdingbar, die aktuelle weltpolitische Folie zu benennen, vor der sich die Militärpolitik der israelischen Regierung vollzieht. Hier liegen "Vorbilder" offen zutage. Terrorbekämpfung und mythologische Feindbildpropaganda gegen "das Böse" dienen seit einem halben Jahr forciert zur Begründung westlicher Kriegspolitik und westlicher Kriegsankündigungen. Die Gefährdung des Weltfriedens durch neue Gewaltkreisläufe und Eskalationsrisiken wird verharmlost. Die Weltmacht USA zeigt keine Neigung, ihre Militärpolitik unter die Oberhoheit der Internationalen Staatengemeinschaft zu stellen. Menschen- und Bürgerrechte, Errungenschaften der Völkergemeinschaft wie die Genfer Konvention, internationale Abkommen über Nuklearwaffen, durchgreifende Maßnahmen auf dem Weg zu einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung, all das wird Schritt für Schritt zur Disposition gestellt. Gleichzeitig sind die Freiheit der Medien und das Recht auf umfassende Information ernsthaft gefährdet. Tausende von zivilen Todesopfern im Rahmen der sogenannten Terrorbekämpfung werden uns nicht gezeigt und zynisch zu " Kolateralschäden" erklärt. Die aktuelle Politik der israelischen Regierung ist auch auf diesem Hintergrund einer "neuen Vorbildmoral" innerhalb der westlichen Welt zu sehen. Wir können nicht einsehen, dass Politiker, die dagegen ihre Stimme nicht erheben, nun das Recht haben sollten, sich lautstark und heuchlerisch bezogen auf den Nahost-Konflikt als Kriegsgegner zu profilieren. Für Frieden, Friedenssicherung und globales Menschrecht kann es nur ein Maß geben.

(Düsseldorf, 6. April 2002)

Vorgelegt vom Sprecherteam des "Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen & Christen" Kontakt: c./o. P. Bürger, Kiefernstr. 33, 40233 Düsseldorf EMail: post 'at' oekumenisches-friedensnetz 'dot' de


Friedensbewegung - Quo vadis?

Ostermarsch-Samstag Düsseldorf, 30.2.2002 Redebeitrag auf dem Burgplatz (Friedensfest) von Peter Bürger (Mitglied im Sprecherteam des Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen & Christen)

Liebe Freundinnen und Freunde,

unsere Empörung über die Heuchelei und die Verbrechen der aktuell kriegsführenden Staaten ist in der Menschengeschichte nicht so jung, wie wir vielleicht meinen.

Schon vor mehr als 1700 Jahren meinte Bischof Cyprian von Kathargo (+ 258): "Die Erde ist voller Blutvergießen. Mordet der Einzelne, nennt man es Verbrechen. Geschieht das Morden auf staatlichen Befehl, so nennt man es Tapferkeit. Nicht Unschuld sichert diesem Verbrechen Straflosigkeit, sondern das unvorstellbare Ausmaß der Grausamkeit."

Ich möchte in meinem Beitrag nicht die militärischen Verbrechen im Nahen Osten und die Lügen der westlichen Supermächte zum x-ten Mal aufzählen. Was uns seit Monaten serviert wird auf der Weltbühne, das bereitet vielen von uns - auch mir - eine Dauerübelkeit. Ich möchte mitten in diesem Leiden heute mit einigen Thesen fragen, was uns als Friedensbewegung leben lässt und was uns vielleicht weiterbringt.

Uns helfen keine Institutionen, keine Parteien und auch keine Angsthysterie in der Bevölkerung Wer heute noch die Illusion hegt, wir könnten uns auf Parteien oder mächtige Institutionen verlassen, dem ist nicht mehr zu helfen. Die Moral in unserem Parlament ist gegen Abgeordneten-Diäten nahezu restlos ausverkauft. In den Parteien ist Anstand offenkundig noch weniger zuhause. Die Gewerkschaften sind lahm geworden. Der Papst landet mit seiner klaren pazifistischen Botschaft bei den deutschen Kirchenleitungen kaum eine Schnitte. Und anders als in den 80er Jahren haben die Massen auch keine Angst mehr, wir wären hier unmittelbar betroffen. Vielleicht könnten wir der Bevölkerung vermitteln, dass etwa die neuen Nuklearstrategien aus dem Pentagon auch unseren "Frieden" hier bedrohen. Aber mit solchen Motiven hätten wir noch keine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient. Wir leben nicht aus Massenhysterie und kurzlebigen 68er-Meinungen, sondern aus inneren Überzeugungen und Haltungen.

Unsere größte Stärke ist unsere Vision vom Menschen 2500 Jahre nach Buddha und 2000 Jahre nach Jesus zeigen uns Politiker wie Präsident G. W. Bush heute die primitivste Kulturstufe der Menschheit. Eine egoistische Gruppenmoral aus der Steinzeit leitet sie. Sie durchschauen nicht einmal, was jeder halbwegs intelligente Mensch heute durchschauen könnte, den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Ein anderes Beispiel: Als "Macher" beseitigt unser Bundeskanzler mit viel Druckausübung und schlechten Manieren die in der Verfassung vor allem für Gewissensfragen gewünschte Unabhängigkeit der Parlamentarier. Das verdient als Note für Friedenskompetenz eine "Sechs". Im Supermarkt nebenan bedient eine Verkäuferin bis zum Abend viele hundert Kunden - darunter sehr lästige oder gar bösartige - und behält dabei geduldig ihren guten Stil. Das verdient als Friedens-Note eine "Eins". Unsere Vision von Stärke ist eben ganz anders als die der offiziellen Ideologie. Das sollten wir bei jeder Gelegenheit vermitteln. Wir haben andere Vorbilder! Vom Frieden versteht die genannte "kleine" Verkäuferin mehr als unser "große" Bundeskanzler.

Wir sollten lernen, vom gehetzten Aktionismus Abschied zu nehmen Die Ereignisse überrollen sich im Moment. Wir jagen ihnen gehetzt nach, weil wir eben nicht die Gleichgültigen sind. "Es drängt uns!" Ständig reagieren wir auf etwas. Eine Resolution löst die andere ab, jeder Aktion folgt schon die nächste. Das halten wir nicht durch. (Viele von uns sind ohnehin schon beruflich oder privat sozial sehr engagiert.) Auf diesem Weg werden wir ungenießbare Aktivisten, eine gestresste Bewegung in ständiger Eile, ja ein Spiegelbild der gegenwärtigen Gesellschaft. Als Ertrag für eine solche Friedensarbeit werden wir nur den Kollaps und schwere Depressionen ernten. Wir brauchen Arbeitsteilung. Wir haben Leute, die uns angesichts der Informationsflut auch der kritischen Medien Orientierungen erarbeiten. Und es ist gut, dass einige sich aus dem gehetzten Geschäft der Tagesereignisse weitgehend heraushalten. Eine wichtige Notwendigkeit sehe ich darin, dass wir uns die Zeit nehmen, in persönlichen Begegnungen Menschen, Persönlichkeiten und nicht einfach Mitläufer zu gewinnen. Die mobilisierte Menge kommt und geht. Friedensarbeit machen nur "Einzelne". Und: Ohne Herzlichkeit und Freundschaften werden wir keine neuen Energien bekommen. Die Jugendlichen, die Alten, die Künstler, die Kreativen und auch die klugen Köpfe werden nur zu uns kommen, wenn sie sich bei uns wohl fühlen.

Wir sind nicht nur Protestbewegung, sondern wir sind Anwalt des Einzelnen und der Demokratie Das Fernsehen zeigt uns Tag für Tag die größten Abscheulichkeiten. Aber was man uns nicht zeigt in unseren Medien, das sind die Leichen, die westliche Massenmordwaffen zu verantworten haben. Und diese Leichen werden wir auch zukünftig nicht sehen. Diese Dauerzensur nimmt dem Einzelnen etwas sehr Kostbares, nämlich die Möglichkeit, sein natürliches menschliches Mitgefühl ins Spiel zu bringen. Wir sind eine Bewegung gegen den manipulierten, gefühllosen und dumm gemachten Massenmenschen. Mit einem solchen "Image" können wir Menschen von den Rattenfängern fernhalten, etwa sensible Jugendlichen, die ihre eigene Mitte und einen aufrechten Gang suchen. Heute sehen wir, wie die selbsternannten "Verteidiger der Freiheit" die Menschrechtsstandards der Völkergemeinschaft und die eigenen Werte einer rechtstaatlichen Demokratie Stück für Stück preisgeben. Die Ethik der Verkünder von Todesstrafen will kollektive Geltung erlangen. Die hysterische Paranoia nimmt in unserer Gesellschaft so groteske Züge an, dass das Kopftuch einer Lehrerin bereits zu einer Art Staatsbedrohung anwächst. In einem solchen Klima beanspruchen wir die Werte, die angeblich verteidigt werden: Demokratie, Menschenrechte, rechtstaatliche Justiz, Religions- und Meinungsfreiheit, Individualität versus Gleichschaltung.

Wir sind eine Bewegung für weltweite Gerechtigkeit

Die Botschaft vom Weltgipfel der Religionen in Assisi lautet: "Kein Frieden ohne Gerechtigkeit!" Diese Überzeugung der ganzen Friedensbewegung rückt heute in den Vordergrund. Wir leben in einer gespaltenen Welt mit ökonomischen Interessen im Großmaßstab. Die Drahtzieher dieser Interessen gehen rücksichtslos über Leichen. Terror und Konfliktherde werden auf diese Weise angestachelt. Die Rüstungshaushalte blähen sich ins Unvorstellbare auf, und bei der kosmetischen Entwicklungshilfe wird gleichzeitig über lächerliche Prozentzahlen diskutiert. Die weltweite Bewegung dagegen, eine Bewegung für Wasser, Nahrung und Grundversorgung für jeden Menschen, ist viel größer als die engere Friedensbewegung. Wir gehören dazu.

Wir sollten uns vor bitterem Prophetentum und Selbstmitleid hüten Auf längere Sicht hin wird die Friedensbewegung kaum eine gesellschaftliche Mehrheit bilden. Wenn wir als Minderheit nicht lernen, mit unserer Ohnmacht gut umzugehen, dann werden wir unversehens wie die Politiker, die wir kritisieren. Bei Ohnmachtsgefühlen reagieren diese ja sofort mit den schwersten Geschützen. So verdecken sie ihre Ohnmacht und gaukeln der Menge Stärke vor. Im Gegensatz zur grenzenlosen Selbstgerechtigkeit der neuen Kreuzritter halten wir uns - hoffentlich - nicht für tadellose Heilige. Der Wahn der "Guten" ist gefährlich; das sehen wir aktuell in Washington. Wir sind einfach Menschen, Menschen guten Willens. Als solche betrachten wir die Fähigkeit zur Selbstkritik überall als Grundvoraussetzung von Frieden. Ich finde es wichtig, dass wir das sagen. Auch wenn wir die verbrecherische "neue Moral" der westlichen Staaten beim Namen nennen, so tragen wir doch nicht den Heiligenschein einer auserwählten Elite. Wir sind Menschen, das ist sympathisch. Sehr schnell könnten wir durch unsere berechtigte Empörung zu bitteren Moralisten werden, zu laut brüllenden Rednern, unduldsamen Nachbarn oder zu hilflosen Rufern in der Wüste, die sich schließlich in Selbstmitleid ergehen. Dann werden wir auf jeden Fall unsympathisch sein.

Wir müssen die Feinde des Lebens benennen, ohne selbst platte Feindbilder zu kultivieren Wie für jede Gruppe ist die größte Gefahr für uns, dass wir nach dem Vorbild von G.W. Bush primitivste Schwarz/Weiß- bzw. Gut/Böse-Muster in Hollywood-Manier aufstellen. Und dann leben auch wir als Gruppe aus Feindbildern, aus der Abgrenzung von den "bösen Anderen" - und nicht aus reifen Werten und menschlichen Visionen. Unsere Empörung muss bleiben. Doch wir sollten Brücken bauen, wo es nur geht. So zeigen wir Friedenskompetenz. Schon lange solidarisieren wir uns mit der Friedensbewegung in den USA oder in Israel. Wir sollten die wunderbare "Bill Of Rights", die amerikanische Deklaration der Menschrechte, bewundern und zugleich fordern, dass dieses Manifest der Zivilisation für jeden Menschen auf dem Planeten gilt, eben in Afghanistan, Somalia, im Irak oder wo auch immer. Amerikanische Kulturschaffende haben über Jahrzehnte die schmerzlichen Erfahrungen der zahlreichen USA-Militärschläge in großartigen Anti-Kriegs-Filmen verarbeiten. Diese Werke sollten wir als Friedensbewegung bei uns überall empfehlen. Wir planen hier in Düsseldorf ein entsprechendes Filmfestival. Ein anderes mögliches Feindbild: Gedrillte Soldaten morden massenhaft auf staatlichen Befehl hin. Doch sie sind als Kanonenfutter gleichzeitig auch Opfer von Politikern in sauberen Anzügen. Natürlich sind wir als Friedensbewegung keine Soldatenfeinde, sondern der zuverlässigste Anwalt von Menschen, deren Leben in "Kriegsabenteuern" gefährdet ist.

Die Friedensbewegung muss selbst schon ein Friedensmodell sein

Friedensbewegung ist immer politisch. Politik ist bei uns aber infiziert von Geltungssucht und Konkurrenz, von Nicht-zuhören-können und von Bestechlichkeit. Es ist sehr gut, dass in der Friedensbewegung keine Großspenden fließen und keine Großgehälter bezahlt werden. So können wir nämlich eher ein Gegenmodell entwickeln, in dem keine Polit-Aktivisten den großen Politfunktionären nacheifern und ihr Ego aufputzen. Unsere Schwäche (und auch unsere "Erfolglosigkeit") ist da unsere mögliche Stärke. Und wer schließlich nur strategische Bündnisse knüpft, ohne echten Respekt vor anderen, der hat vom Frieden noch nichts kapiert. In Düsseldorf erlebe ich, wie Friedensbewegte aus unterschiedlichsten Gruppen und mit unterschiedlichster Herkunft Freude an einem neuen Stil bekommen: Wir propagieren nicht nur eine Vielfalt der Kulturen, sondern wir leben selbst ein Miteinander von unterschiedlichsten Menschen. Wir üben uns darin, auch von den anderen her zu denken und sie zu verstehen. Wir wollen möglichst viel mit den anderen machen. Wir verfallen nicht dem Wahn, dass jeder, der etwas anderes als wir im Auge hat, deshalb schon gegen uns ist. Und wir lernen, dass Konkurrenz - anders als man uns weismachen will - überhaupt keinen Spaß macht. Eine solche Friedensbewegung könnte glaubwürdig sein. Wir brauchen eine neue Sprache, einen neuen Stil und ein neues Symbol Die alte "anti-imperalistische Intellektuellensprache" will keiner mehr hören. Rap und Graffiti für den Frieden sind im Kommen. Die Politiker reden abstrakt und gefühllos und verschweigen ihre Opfer, die aus Fleisch und Blut sind. So dürfen wir nicht reden. Unser wunderbares Symbol, die Friedenstaube, braucht im Zeitalter der Taubenfeindlichkeit dringend ein neues Ausgehkleid. Wir brauchen ein Bild, das nicht nur die Nostalgiker aus früheren Jahrzehnten anspricht. Wir brauchen eine Taube, die uns die Erdkugel zeigt und auch die ganze Menschenfamilie auf der Erde. Wir brauchen eine globale "weiße Fahne", die die alten Götzenbilder, den lästerlichen Kult der Nationalflaggen ablöst. Ja, wir brauchen ganz dringend ein neues Symbol. Und wenn wir in der gleichgültigen Spaßgesellschaft gehört werden wollen, dann jedenfalls nicht als griesgrämige Spaßverderber. Im Gegenteil, wir müssen einen Spaß am Leben zeigen, der echt ist, einen Spaß, der mit Unabhängigkeit, mit Menschlichkeit, mit der Freilegung verschütteter Gefühle und mit ehrlichen Beziehungen zu tun hat. Wir meinen einen Spaß, den es ohne Mitgefühl und auch ohne Traurigkeit nicht geben kann. Wir meinen Feste und keine kommerziellen Spektakel-Events. Und wenn ich recht sehe, sind wir in diesem guten Spaß, mit dem die Friedensbewegung aufersteht, schon mitten drin.


Solidaritätsadresse aus der Christlichen Friedensbewegung in den USA an die Ostermarsch-TeilnehmerInnen in Düsseldorf

An alle Friedensfreunde auf dem Ostermarsch in Düsseldorf:

Grüße von einer wachsenden Bewegung von Christen in den USA. Wir nennen uns selbst "Every Church a Peace Church" ("Jede Kirche eine Friedens-Kirche"). Wir rufen Christen in unserem Land und in der ganzen Welt auf, sich die Macht des gewaltfreien Kampfes zu eigen zu machen, eine Macht, die Jesus verkörperte und die durch Martin Luther King, Jun. und so viele andere in der Geschichte wirksam gezeigt geworden ist. Wir glauben, die Kirche könnte die Welt zum Frieden hinlenken, wenn jede Gemeinde so wie Jesus glauben und lehren würde. Ja, wir erwarten viel von der Kirche. So zu leben und zu lehren wie Jesus, das würde von der Kirche Umkehr verlangen. Sie würde bereuen, die Lehren und das Beispiel Jesu, der seine Feinde liebte, zu ignorieren und darauf herumgetrampelt zu haben. Jesus gehorchte nicht dem Staat oder irgendeiner Macht, die ihn aufgefordert hat, jene zu bekämpfen oder umzubringen, die ihn oder sein Volk bedrohten. Die Kirche muss sich abwenden von ihrem Kompromiss mit Gewalt und Schwert, von ihrem unmoralischen Bündnis mit den herrschenden Mächten des Staates. Wir grüßen alle, die sich in Düsseldorf für den Frieden versammelt haben, Christen und alle anderen gleichermaßen. Gott lebt in jedem Menschen. Und alle, die nach Gerechtigkeit streben in der Kraft der Gewaltlosigkeit, spiegeln das Bildnis Gottes, unabhängig von ihrer religiösen oder nicht-religiösen Identität. Gott will Frieden für diese Welt, und Ihr seid Teil jener wachsenden Bewegung, die Gottes Willen tut - auf der Erde so wie im Himmel. Wachst und seid erfüllt mit Hoffnung und mit der Erfahrung des neuen Lebens, das aufersteht aus der dunklen Asche des Todes. Dies ist die Verheißung von Ostern.

Im Namen des gewaltfreien Jesus, der heute in allen lebt, die ihre Feinde lieben, so wie er seine Feinde liebte, John K. Stoner, Coordinator Every Church A Peace Church Akron, Pennsylvania, USA www.ecapc.org (Übersetzung: Andre G. Stoner) "A country which has dangled the sword of nuclear holocaust over the world for half a century and claims that someone else invented terrorism is a country out of touch with reality." (Ein Land, das für ein halbes Jahrhundert das Schwert des atomaren Holocaust über der Erde geschwungen hat und nun ausruft, dass jemand anderes den Terrorismus erfindet, ein solches Land hat den Bezug zur Realität verloren.) John K. Stoner

Englisches Original der Grußadresse

To people of peace gathered on Easter in Duesseldorf:

Greetings from a growing movement of Christians in the United States who call ourselves "Every Church A Peace Church." We are issuing a call for all Christians in this country and around the world to embrace the power that works through nonviolent struggle, as that was incarnated by Jesus and demonstrated by Martin Luther King, Jr. and so many others down through history. We believe that the church could turn the world toward peace if every church lived and taught as Jesus lived and taught. Yes, we expect very much of the church. To begin to live and teach as Jesus lived and taught would require the church to repent for ignoring and trampling upon the teachings and example of Jesus, who loved his enemies. Jesus did not obey the state or any other power which urged him to fight and kill those who threatened him or his people. The church must turn from its compromise with violence and the sword, from its immoral union with the dominating powers of the state. We greet all who have gathered for peace in Duesseldorf, Christian and non-Christian alike. God is alive in every person, and all who strive for justice with the power of nonviolence are reflecting the image of God within themselves, regardless of their religious or non-religious identity. God wills peace for the world, and you are part of that growing movement which is doing God's will on earth as it is done in heaven. May your numbers increase, and may you be filled with the hope and experience of new life arising from the very ashes of death, which is the promise of Easter.

In the name of the nonviolent Jesus, who is alive today in all who love their enemies as he loved his enemies,

John K. Stoner, Coordinator Every Church A Peace Church Akron, Pennsylvania, USA www.ecapc.org


Düsseldorfer Friedenspreis erstmals verliehen - an Manja Aschmoneit

Bei der Auftaktkundgebung zum diesjährigen Düsseldorfer Ostermarsch am Ostersamstag wurde erstmals der von drei Düsseldorfer Friedensgruppen - Friedensforum, Menschen für den Frieden und Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen und Christen - gestiftete "Düsseldorfer Friedenspreis" verliehen. Preisträgerin ist die Düsseldorferin Manja Aschmoneit. Mit dem Preis wollen die Düsseldorfer Friedensgruppen eine Frau ehren, die, wie es in der Urkunde heißt, "trotz politischer Verfolgung, vieler Misserfolge und auch persönlicher Demütigungen ... seit Jahrzehnten sich unerschrocken und beharrlich für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt" hat. Als junges Mädchen geprägt vom Eindruck der Schrecken und Zerstörungen des 2. Weltkriegs, wirkte Manja Aschmoneit an der Seite ihres Mannes seit den frühen 50er Jahren gegen die Wiederaufrüstung, dann die geplante Atombewaffnung der Bundeswehr. Sie war schon bei den ersten Ostermärschen mit dabei, hat keinen ausgelassen, und ihren vier Kindern konnte die heute 70-jährige, wie sie verschmitzt erzählt, erfolgreich drohen mit: "Wenn ihr nicht brav seid, dürft ihr nicht mit zum Ostermarsch". Seit dem Jugoslawienkrieg ist Manja Aschmoneit, die, ebenfalls ehrenamtlich, im Arbeitslosenzentrum mitarbeitet, regelmäßig bei den jeden Dienstag stattfindenden Infoständen des Friedensforums am Schadowplatz anzutreffen und aktive Teilnehmerin an den Plenarversammlungen dieser Gruppe. Auch bei den Montagsdemonstrationen der "Menschen für den Frieden", die seit dem Beginn des Afghanistankrieges stattfinden, ist Manja Aschmoneit zu finden.

Düsseldorf, am 30. März 2002
Düsseldorfer Friedensforum, Menschen für den Frieden Düsseldorf,
Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen


Infoquellen & Fotos zum Düsseldorfer Ostermarsch 2002:

Zahlreiche Fotos zum Düsseldorfer Ostermarsch 2002 bieten die folgenden Seiten der Arbeiterfotografie Köln. Es sind auch zahlreiche TeilnehmerInnen aus dem Kreis unseres Ökumenischen Friedensnetzes zu sehen: Bild 1 Bild 2

Texte und Berichte zum Ostermarsch 2002 findet Ihr auch unter: hier


Das Christentum und die "gerechten Kriege"

"Warum ist das, was in der Innenpolitik eine Katastrophe, ein Verbrechen ist, in der Außenpolitik eine Heldentat? Warum darf man, sobald man die Grenzen seines eigenen Landes überschreitet, Dinge tun, die zu Hause kriminell sind? Sind 5000 unschuldig getötete afghanische Zivilpersonen weniger wert als 3000 unschuldig getötete Amerikaner?" So fragte am 11.2. der ehemalige entwicklungshilfepolitische Sprecher der CDU/CSU, Jürgen Todenhöfer, in der "Süddeutschen". Immerhin, eine unverdächtige Stimme ist es, beileibe keine pazifistische, die da die Rechtfertigung verweigert für Streubomben, massenhaftes Zerfetzen von Menschenleibern, für einen Krieg, der nur für die da oben - in der Luft - sauber ist.

Doch gibt es überhaupt vor Gott "gerechte Kriege"? Der EKD-Ratvorsitzende M. Kock hat dies jüngst im Licht des Evangeliums verneint. Jesu Bergpredigt und Paulus rufen die Welt dazu auf, das Böse durch das Gute zu überwinden. "Gottessöhne" (Mt 5), so wörtlich Jesus, sind die Friedensstifter. Der als naiver Pazifist belächelte Papst meint, das müsse man ernst nehmen: "Das Dunkel lässt sich nicht durch Waffen erleuchten. Das Dunkel entfernt sich nur, indem man Licht macht." Doch da versagen ihm alle, die sonst die unseligsten Dekrete seines Pontifikates stets kritiklos nachbeten, die Gefolgschaft.

Nicht immer wurde die Gewaltfreiheit der Botschaft Jesu in der Kirchengeschichte so relativistisch betrachtet wie in der nachkonstantinischen Ära. Die Theologen der Alten Kirche verkünden da zuweilen eine merkwürdige christliche Ethik: "Wie könnte der Christ Krieg führen, wie könnte er selbst in Friedenszeiten Soldat werden, ohne das Schwert zu tragen, das der Herr verboten hat?" (Tertullian, + nach 220) "Wenn ein Taufbewerber oder Gläubiger Soldat werden will, dann weise man ihn zurück, denn er hat Gott verachtet." (Römische Kirchenordnung des Hippolyt, + 235) "Wir Christen ziehen das Schwert gegen keine Nation, wir lernen keine Kriegskunst mehr, denn wir sind Söhne des Friedens geworden durch Christus." (Origenes, + 254) "Es ist den Christen nicht erlaubt zu töten..." - "Der Erdkreis ist bedeckt mit Menschenblut. Wenn ein einzelner Mensch einen Mord begeht, so gilt dies als Verbrechen. Aber man nennt es Tapferkeit, wenn der Staat den Befehl dazu gibt." (Cyprian, + 258, Briefe I.6)

Ganz anders dachte später der "Vater der Rechtgläubigkeit", Athanasius. Der große Augustinus war es, der schließlich in der Tradition des römischen Imperiums den "gerechten Krieg" für möglich erklärte. Doch im Gefolge Jesu hatte Augustin in seinem Werk über den "Gottesstaat" keine gute Meinung von den Machthabern der Erde: "Die Reiche dieser Welt sind große Räuberbanden, die Mord und Erpressung nur deshalb nicht unter Strafe stellen, weil es infolge der Größe ihrer Untaten gar nicht mehr möglich ist." Auch wollte Augustinus Plündern, Morden, den Tod von Unbeteiligten, Unschuldigen und von Frauen und Kindern in jedem Fall (!) ausgeschlossen wissen. Aufgrund schon dieser Kriterien hielt der ultrakonservative Kardinal Ottaviani es 1942 für undenkbar, dass es im 20. Jh. mit seinen abscheulichen Massenvernichtungswaffen einen "gerechten" Krieg geben könne, der dieser Lehre entspricht. (Drewermann: Krieg ist Krankheit, Freiburg 2002)

In der ältesten Kirche gab es ganz praktisch die Exkommunikation von Kriegsführenden. Heute sind es eher die pazifistischen Christinnen und Christen, die als "blauäugige Heilspropheten" in den Kirchen abseits stehen. Doch sie stellen eine unverzichtbare Anfrage an die gesamte Ökumene: Ist es nicht aktueller, dringlicher und realpolitisch einleuchtender denn je, heute Jesus wirklich zu folgen - in seiner Einsicht, dass Gewalt und Gegengewalt unendlich eskalieren, wenn nicht etwas ganz Neues eintritt? Das zumindest, so meine ich, wäre auch angesichts des nicht-staatlichen Terrorismus angesagt: Fragen über Fragen zu stellen und dabei nicht nur im Fernsehprogramm zu recherchieren. Wer führt Krieg und mit wem verbündet er sich? Welche Muster der ewig alten Kriegsrhetorik werden wieder etabliert? Welche offiziellen, nachlesbaren Militärdoktrinen stehen im Hintergrund? Welche geopolitischen und ökonomischen Interessen lassen sich anhand von Fakten aufspüren? Wie stichhaltig sind die propagierten Motive, seien sie humanitär oder Überschriften einer "erfolgreichen" Terrorbekämpfung? Was passiert an den Kriegsschauplätzen wirklich? Wer nennt die Zahl der getöteten Zivilopfer? Wie hoch sind die weltweiten Rüstungsausgaben und in welcher Relation stehen dazu die Entwicklungshilfehaushalte?

Christlicher Pazifismus hin oder her, da mag man theoretisch endlos streiten. Doch eines müsste unstrittig sein: Die Vertreter der Religion müssen diese Fragen zur Stunde gründlicher und kritischer stellen als es die parlamentarischen Amtsinhaber tun.

Peter Bürger, Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen
(Christen heute April 2002)

Mit Jesus kann man keine Weltpolitik machen?

Predigt zum Jahrestag der Terroranschläge in den U.S.A.

Ökumenischer Gottesdienst - Katholische Pfarrgemeinden St. Gertrud & St. Augustinus, Evangelische Kirchengemeinde Eller & Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen in der Schlosskirche Eller am 11. September 2002

Liebe Schwestern und Brüder,
das Christentum musste in den Augen der Weltöffentlichkeit am 11. September 2001 abdanken. Inmitten der Leichenteile und Blutlachen des World Trade Centers haben Menschen zu Jesus gebetet. Aber Weltpolitik bitteschön kann man mit Jesus nicht machen. Gott hat diese Welt mit ihren Hässlichkeiten und Abgründen nicht spürbar mit sich versöhnt. Jesus ist auch nicht der Erstgeborene einer neuen Menschheit, die mit dem Steinzeitmodell Gewalt aufhört. Eine Weltzivilisation der Liebe, von so etwas kann höchstens ein alterschwacher Papst sprechen. Die nackte Wahrheit lautete: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Jetzt dürfen wir nicht zimperlich sein. Wir müssen das Böse ausmerzen mit Streubomben und mit den Mörderbanden der Nordallianz-Warlords. Gegen die Achse der Oberteufel sollte man vielleicht auch bald Miniatombomben einsetzen. Dass man mit Christentum keine Politik machen kann, das haben doch selbst prominente Christen nach dem 11. September zugegeben.

Müssen wir heute in eine solche depressive Vergeblichkeit fallen, vor der uns das "Vater unser" doch bewahren soll? Müssten wir dann nicht all unsere Kirchen schließen? Ja, wir hätten sie dann schon seit siebzehnhundert Jahren schließen müssen, spätestens aber nach zwei Weltkriegen der christlichen Zivilisation, spätesten nach Auschwitz und spätestens nach zwei Atombomben, die 340.000 Japanern das Leben gekostet haben... Der 11. September war für viele tausend Menschen in New York ein blutiger Weltuntergang, aber er bedeutet im Licht der Geschichte nicht etwas völlig neue unter Sonne. Hier in der Kirche müssen wir deshalb anders sprechen, als wir es in den Tagesnachrichten hören. Jesus hat uns nie erzählt, diese Weltordnung würde nicht von einer großen Geisteskrankheit regiert. Er hat uns aber genauso wenig erzählt: Fügt euch demütig und ohnmächtig in diese kranke Welt. Begnügt euch damit, in modernen Werbeagenturen Plakate zu erstellen, auf denen steht: "Seid nett zueinander!" Werdet eine ängstliche Sekte mit harmlosen Parolen. Unsere Leidenschaft für das Evangelium hat nicht nur die Liebe, sondern auch die Vernunft auf ihrer Seite. Mit zwei Trostbotschaften zu zwei Weltideologien möchte ich uns alle zu einem selbstbewussteren Christentum verführen.

Die erste Ideologie lautet: Der Mensch ist von Natur aus böse, ein Wolf für den anderen Menschen

Das hört sich scheinbar ganz christlich an. So steht es doch auch im 1. Buch Moses: "Böse ist das Trachten des Menschen, immer nur böse, von Jugend an." Es erinnert an Paulus, Augustinus, Luther oder an die katholische Erbsündenlehre. Das hört sich aber auch nur scheinbar christlich an! Denn in unserer Tradition wird der zerrissene, heilungsbedürftige Mensch als böse erkannt. Doch das ist nicht das letzte Wort:

Jesus war wie wir Mensch, sagt die Kirche seit altersher. Er hatte unsere Menschenangst. Aber er hörte bei seiner Jordantaufe eine Stimme: "Du bist geliebt, immer schon geliebt!" Jesus hat viele Menschen in Galiläa und anderswo dahin geführt, diese innere Stimme zu hören. Die frühen Christen sprachen so von der Taufe, dass sie über einen Menschen sagten: Er hat das Ja-Wort gehört. Deshalb kann er lieben. Deshalb kann er Frieden verbreiten. Das ist keine Leistung, das ist ihm geschenkt worden. Das ist kein religiöser Hokuspokus. Das geschieht mit wirklichen, leibhaftigen Menschen!

In dieser Hinsicht stimmt es: Die einzige Tür, durch die Gott sein Ja-Wort sprechen kann, ist das menschliche Herz. Dieses eine Ja-Wort erlöst noch nicht die ganze Staatenwelt. Es macht durch eine innere Revolution nur einzelne Menschen friedens- und liebesfähiger. Martin Luther sagt: Gottes Liebe macht den Menschen schön.

Jeder von Euch kennt Menschen, die vor Gott schön geworden sind. Unter den Helfenden in den Flammen und Trümmern des 11. Septembers gab es sie. Die Verkäuferin im Supermarkt meiner Straße gehört zu den Schönen. In Baltimore bin ich einer Frau begegnet, die diese Schönheit in sich trug. Und vor Moscheen in Marokko haben ich Menschen kennen gelernt, die genauso wunderschön waren. Auch sie hatten das Ja-Wort gehört, das jeder von uns zum Leben und zum Lieben braucht.

Die zweite Ideologie lautet nun: Ein einzelnen Mensch kann sich vielleicht ändern, aber das Weltsystem der Völker und Staaten wird immer gewalttätig funktionieren...

Liebe Schwestern und Brüder, dieses gruppenegoistische Gewaltsystem aus der Steinzeit funktioniert schon lange nicht mehr. Es hat sich im letzten Jahrhundert so endgültig wie es nur eben geht als veraltet erwiesen.

Weil man trotz der wunderbaren Einsicht der Vereinten Nationen von 1945/1948 so weiter gemacht hat wie eh und je, haben wir heute Terrornetze. Noch im Vorfeld des 11. Septembers wurde nicht Dialog, sondern ein "Kampf der Kulturen" propagiert. Die verachteten Armen dieser Erde klatschen nun den Terroranführern, die sich aus Großkonzernen finanzieren, gruseligen Beifall. "Endlich einer, der unseren Stolz wiederherstellt!"

Dieses Gewaltsystem hat in Afghanistan außer mehreren tausend Streubombenopfern und nachgewiesenen Massakern keineswegs irgend eine bessere Ordnung hergestellt, wie es uns die Propaganda lange weismachen wollte. Dieses Steinzeitmodell wird im Irak eine Gewaltwelle losbrechen lassen, die vom Nahen Osten bis hin nach Pakistan vielleicht keiner mehr kontrollieren kann.

Der Bischof von Rom mag, anders als meine Konfession meint, in vielem irren. Doch er hat gegen die Regierungen dieser Welt unfehlbar eine für alle Christen unverzichtbare Wahrheit zur Geltung gebracht: "Mit Waffen kann man das Dunkel nicht vertreiben. Man muss ein Licht anzünden!" Und er hat gezeigt, wie es auch geht. Er hat die Religionen und Kulturen der Erde zu einem Friedensfest eingeladen.

Stellt euch vor, man hätte nach dem 11. September auch in der Weltpolitik so reagiert. Man hätte Milliarden in die Begegnung der Kulturen, der Religionen und der Weltjugend investiert. Man hätte bei uns die Opfer von New York gezeigt und ebenso die uranvergifteten Säuglinge in Bagdad oder die von westlichen Bomben zerfetzten Menschenleiber. Man hätte den Armen der Welt ein anderes Signal gegeben als Bin Laden oder wer auch immer. Man hätte beispielsweise den Bau eines ganz anderen Welthandelszentrums begonnen, eins das nicht babylonisch, profitträchtig in die Höhe wächst, sondern eins, dass mit wirtschaftlicher Intelligenz in die Breite einer gerechteren, solidarischen Völkerwelt wächst. Man hätte beispielsweise nach dem Vorbild der frühen Christen alle Nationalflaggen entgöttert und eine Fahne der ganze Erde, der ganzen Menschheit und aller Lebewesen über den gesamten Globus wandern lassen. Man hätte kurzum, das zerstörerische Böse mit dem konstruktiv Guten beantwortet.

Wir müssen als Christen an der Vision festhalten, dass auch die Zivilisation mit einem besseren Geist getauft werden kann. Nach dem 11. September dürfen Weltgeschichte und Börsengeschäfte nicht einfach - nach ein paar Trauertagen - weitergehen wie eh und je. Wieder einmal hat die ganze Menschheit eine Niederlage erlitten. Wir alle sind getroffen. Heilen können es nicht mehr die antiquierte Gewaltlogik, die Macht- und Wirtschaftsimperien und schon gar nicht die Rüstungsindustrie.

In der Geschichte gibt es - wenngleich nicht viele - Beispiele für das, was Not tut. Wer immer Angst in der Zivilisation und in der Völkerwelt verringert, wer immer kollektive Demütigungen und Benachteiligungen verkleinert, der trägt dazu bei, dass auch die ganze Menschenwelt schöner, weniger gewalttätig wird. Und das eben ist nicht nur eine Frage der Liebe, sondern auch der Vernunft. Es ist nicht nur eine Frage der Innerlichkeit des Einzelnen, sondern auch des Überlebens der Gattung.

Zumindest das müssen wir Christen mit großem Selbstbewusstsein sagen: Es gibt nur tödliche Alternativen zu einer Weltzivilisation der Solidarität. Der Weg steht seit über zweitausend Jahren offen. Es gibt das Böse und das Kranke. Überwunden werden kann es - so Jesus und Paulus - nur durch das Gute, durch Liebe und durch eine befreite Vernunft. AMEN

Peter Bürger (Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen)

Um Gottes Willen Frieden - Predigt zum 11.9.2002

Ökumenischer Gottesdienst - Katholische Pfarrgemeinden St. Gertrud & St. Augustinus, Evangelische Kirchengemeinde Eller & Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen in der Schlosskirche Eller am 11. September 2002

Nichts wird mehr so sein wie es war - hieß es vor einem Jahr. In der Zwischenzeit haben sich bei uns - natürlich - die kleinen Sorgen und Freuden des Alltags längst wieder in den Vordergrund geschoben. Wir ärgern uns über die Verspätung eines Zuges, wir freuen uns über vier Richtige im Lotto, viele von uns sind gut gelaunt ins Flugzeug gestiegen, das uns sicher in die Ferien geflogen hat.

Dennoch ist sie da - zumindest unterschwellig - die Angst vor neuen Terroranschlägen. 71 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass kein westliches Land vor einem neuerlichen Anschlag fanatischer Islamisten sicher ist.

"Heute haben wir das Böse gesehen". Sagten Augenzeugen der Terrorakte des 11. September. Das Böse - in Gestalt einer entstaatlichten privatisierten Gewalt, wie wir sie in dem Ausmaß vorher nicht kannten.

Auch ein Jahr danach stellt sich äußerst drängend die Frage: Wie gehen wir damit um? Am 12. September 2001 meinte Dagmar Reim in den Tagesthemen, in dieser Situation solle man das Neue Testament einmal beiseite lassen und sich an die alte Devise erinnern "Auge um Auge - Zahn um Zahn". Wie du mir, so ich Dir. Gewalt gegen Gewalt. Immerhin markiert diese Regel aus dem Alten Testament einen wichtigen Fortschritt in der Rechtsgeschichte - gegenüber der archaischen Rache, nach der das Böse maßlos nachgetragen und vergolten wurde. Aber "wie du mir, so ich Dir", ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Bomben auf Afghanistan und demnächst vielleicht auf den Irak, ist das ein geeignetes Mittel gegen den islamistischen Terrorismus?

Der Limburger Bischof Franz Kamphaus bezweifelt das, und damit steht er wahrlich nicht allein. "Auge um Auge", so sagt er, "macht schließlich alle blind - durch den Hass, und am Ende hat keiner ein Auge mehr". Die entscheidende Frage ist, wie wir eine gesellschaftliche Entwicklung anstoßen und unterstützen können, die nicht immer nur neue Gewalt hervorbringt, sondern dem Frieden dient, einem Frieden, der langfristig und nachhaltig nur durch Gerechtigkeit gesichert werden kann.

Die humanitäre Hilfe, die medienwirksam in Afghanistan geleistet wird, steht in überhaupt keinem Verhältnis zum Aufwand der militärischen Mittel. Einen übergroßen Teil der Intelligenz investieren wir in immer perfektere Waffensysteme, statt diese Intelligenz für die Entwicklung der armen Völker einzusetzen. Die Armen hungern nicht, weil wir zu viel essen, sondern weil wir zu wenig denken, zu egoistisch unsere eigene Sicherheit, zu kurzsichtig nur unsere eigenen Interessen im Blick haben. Franz Kamphaus sagt: "In Sachen ökonomischer Globalisierung sind wir Riesen, in Sachen globaler Solidarität sind wir Zwerge."

Mit den eigenen Interessen meint er sehr konkret die Sicherung der Ölquellen. Und wer wollte das bestreiten, das hierin der eigentliche Grund, jedenfalls auch ein wesentlicher Grund dafür liegt, dass die Amerikaner ein so großes Interesse an Afghanistan haben und am Irak. Ich merke, ich hab's heute mit den katholischen Bischöfen. Robert Bowman ist auch einer. Er war selber Kampfflieger im Vietnamkrieg und ist heute Bischof der Vereinigten katholischen Kirche in Melbourne Beach/Florida. Er schrieb nach dem 11. September im vergangenen Jahr:

"Anstatt unsere Söhne und Töchter um die Welt zu schicken, um Araber zu töten, damit wir das Öl haben können, das unter dem Sand liegt, sollten wir sie schicken, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu setzen, reines Wasser zu liefern und hungernde Kinder zu füttern."
Und vergangene Woche sagte er im amerikanischen Fernsehen:
"Anstatt Saddam Hussein mit Krieg zu drohen, sollten wir den Irakern helfen, ihre Elektrizitätswerke, ihre Wasseraufbereitungsanlagen und ihre Krankenhäuser wieder aufzubauen, die wir zerstört haben und deren Wiederaufbau wir bis heute verhindert haben".

Ja, so ist das: In Sachen ökonomischer Globalisierung, in der Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen, sind wir Riesen, in Sachen globaler Solidarität sind wir Zwerge.

Und so lange wir in dieser Sache Zwerge bleiben, wird die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus bleiben. Übrigens: Auch Edmund Stoiber und Gerhard Schröder sind in dieser Sache Zwerge, genauso wie die beiden Damen, die am Sonntag das Kanzlerduell-Gespräch geführt haben. Mit keinem einzigen Wort wurde darüber diskutiert, was unsere Regierung gegen die Armut und für die Gerechtigkeit in unserer Welt zu tun gedenkt. Ein Armutszeugnis für unsere Politiker, wenn das in der gegenwärtigen Weltsituation kein Wahlkampfthema ist.

Die beiden Bischöfe machen noch auf einen zweiten Zusammenhang aufmerksam, den wir endlich begreifen und politisch-gesellschaftlich umsetzen müssen, wenn wir die Ursachen des Terrorismus bekämpfen wollen:

Der amerikanische Bischof nimmt im Blick auf sein eigenes Land kein Blatt vor den Mund:

"In einem Land nach dem anderen hat unsere Regierung Demokratie vereitelt, Freiheit unterdrückt und die Bürger an amerikanische Großkonzerne verkauft (und er zählt u.a. als Beispiele auf: Iran, Chile, Nicaragua) Deswegen werden wir rund um die Welt gehasst. Mit einer himmelschreienden Arroganz nehmen wir uns das, was wir wollen. Dabei ist uns jedes Mittel recht: Heute unterstützen wir Diktatoren und morgen sägen wir sie wieder ab, wenn's nur unserer Macht, unserem Einfluss und unseren Interessen dient. Und deswegen sind wir das Ziel von Terroristen. Wir in Amerika. Oder haben sie schon einmal von einer norwegischen oder schwedischen Botschaft gehört, die bombardiert wurde?"
Für unseren Kontext in Europa spricht der Limburger Bischof genauso klare Worte:
"Der Hass gegen alles Westliche, der im Terrorismus seinen dramatischen und mörderischen Ausdruck findet, wird nicht nur durch die wirtschaftlichen, sondern auch durch die politischen und kulturellen Ungleichgewichte der heutigen Weltsituation genährt. Gerade in den muslimisch geprägten Ländern haben viele den Eindruck, ihre Kultur und ihre Traditionen würden bei uns im Westen nicht ernst genommen, ja sogar verachtet. Wir müssen uns ganz ernsthaft fragen, welche geschichtlichen und aktuellen Erfahrungen das Ressentiment in der islamischen Welt gegenüber dem Westen immer wieder anfachen. Vielleicht gehört es ja zur Pathologie der westlichen Länder, die Verletzungen und Demütigungen, die sie anderen zufügen, gar nicht mehr wahrzunehmen".

Schade, dass wir in der Vorbereitung für diesen Gottesdienst nicht daran gedacht haben, Vertreter der jüdischen Gemeinde und von muslimischen Gemeinden in Düsseldorf zur Mitwirkung einzuladen. Das wäre ein gutes Zeichen gewesen.

Noch ein Wort zu Saddam Hussein und den amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen den Irak: Für mich war es schmerzhaft, in den vergangenen Jahren von der Position eines absoluten Pazifismus Abschied nehmen zu müssen. Jede demokratische Regierung hat das Recht und wohl auch die Pflicht, kriegstreiberischen Diktatoren und Terroristen mit Waffengewalt das Handwerk zu legen. Aber jeder Schlag gegen Zivilbevölkerung, gegen unschuldige Menschen, darf um Gottes und der Menschen willen nicht sein. Gott bewahre uns davor! Um Gottes und der Menschen willen: Frieden!

Ganz abgesehen davon, dass ein Krieg gegen den Irak ein unglaubliches Spiel mit dem Feuer wäre: Alle Bemühungen, die gemäßigten arabischen Staaten in den Kampf gegen den Terrorismus einzubeziehen, ständen auf dem Spiel. Und was ein Irak-Krieg für Israel bedeuten würde, mag man sich kaum ausdenken. Wir können und sollten gerne gleich darüber diskutieren.

Ich frage: Haben wir denn nichts aus der Vergangenheit gelernt? Ich meine, die Erfahrung zeigt: Wer Gewalt sät, Gewalt durch Bomben oder andere Waffen, die Massen von Menschen töten, wer solche Gewalt sät, wird um so mehr Gegengewalt ernten und damit eine Spirale in Gang setzen, vor der wir, auch wir in Deutschland, Angst haben müssen. Jesus entschieden davor gewarnt: "Wer zum Schwert greift, wird durch's Schwert umkommen".

Armut und Hunger, die Arroganz des Westens gegen andere Völker, die Sprache der Bomben, sie dürfen keine Zukunft haben - um der Menschen willen und um Gottes willen, von dem es in der Bibel heißt:

"Seine Hilfe ist nahe denen, die ihn ehren und ihm gehorchen. Dann wird in unserm Land seine Herrlichkeit wohnen. Dann werden Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; dann wird uns Gott Gutes tun und unser Land fruchtbar sein".

Liebe Gemeinde: Vor Gott können und dürfen wir Irrtümer eingestehen ohne Furcht, das Gesicht zu verlieren, weil wir immer und immer wieder aus der Vergebung leben. So dürfen wir und wir dürfen ihn bitten, dass er uns Mut gibt, die Richtung zu wechseln, wenn wir merken, dass wir auf dem falschen Weg sind. Das gilt ja auch für unser ganz persönliches Leben. Dazu, dass wir zum Innehalten und zur Umkehr fähig sind, bewahre uns der Friede Gottes, der höher ist als alles menschlich Denkbare. Amen.

Pfarrer Dietmar Silbersiepe (ev. Schlosskirchen-Gemeinde Eller)

In dieser Welt ist es zu spät für alle Flaggen!

Für eine Zivilisation der Solidarität und des Friedens

Von P. Bürger (Ökumenischen Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen und Christen / Pax Christi) - Redebeitrag zum Antikriegstag "Frieden jetzt" - Düsseldorf 2.9.2002, Burgplatz

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Friedensbewegung hat ein trauriges Jahr zu beklagen. In Afghanistan hat die so genannte Terrorbekämpfung - mit völkerrechtlich geächteten Streubomben aus der Luft - Tausende von Zivilisten ermordet. Das verbrecherische Treiben der nordalliierten Berufsmörderbanden unter den Augen von US-Soldaten ist erst in kleinen Ausschnitten bekannt. - Im Nahen Osten sehen wir in endlosen Vergeltungskreisläufen, wie Frieden niemals zustande kommen wird. - Im Irak sind in Folge des Embargos über 1 Millionen Menschen seit dem Golfkrieg förmlich verreckt, ohne dass die Internationale Staatengemeinschaft auch nur einen Finger gekrümmt hätte. Nun wird es bald wieder neue Massengräber in Bagdad und im ganzen Irak geben. Eine US-Regierung, deren Mitglieder nahezu ausnahmslos der Erdölkonzernlobby angehören, will diesen Krieg um jeden Preis und wird ihn durchsetzen. Alle Welt weiß, da geht es um durchschaubare Interessen. Die irakische Erde birgt vielleicht noch mehr Öl als die Saudi-Arabiens. Noch ist es nicht wirklich glaubhaft, dass in Europa gegen diese wildgewordene Kriegspolitik wirklich erstmals ein echtes "Nein!" laut wird. Wie sehr wäre das zu hoffen!

Hier in Düsseldorf sehen wir am Beispiel der von Abschiebung bedrohten Roma, die als Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien zu uns kamen: An allen Orten wird an der Sicherheitszone eines Euro-Paradieses gebaut. Ein Europa, das diesen Namen verdient, wird daraus nicht. Vergessen, dass man gegenüber Minderheiten wie Roma und Sinti besondere Verantwortung hätte. Eine halbe Millionen Zigeuner haben die Nazis in Europa ermordet. Keine Abschiebungspolitiker aus SPD oder CDU würde freiwillig in die Elends-Ghettos und Diskriminierungsverhältnisse ziehen, in die man die Roma abschieben will. Unser Oberbürgermeister darf - wie er es bezogen auf Obdachlose und Drogengebraucher schon lange praktiziert - mit offener Menschenverachtung und sogar mit Angriffen auf das Grundrecht des öffentlichen Protestes unsere Freundinnen und Freunde im Roma-Camp zur Zielscheibe populistischer Stimmungen machen...

Es ist gut, dass hier in Düsseldorfer eine vielfältige Friedensbewegung zusammenarbeitet und nicht aufhört, in kleinen und größeren Aktionen öffentlich all das in Erinnerung zu rufen. Die Stimmung im Land zeigt, dass die Mühen all der vielen Gruppen in kleinen und großen Städten nicht vergebens sind. Ich möchte heute als Vertreter der christlichen Friedensbewegung an jenen Ausblick für eine friedlichere Welt erinnern, der im letzten Jahrhundert bereits als breiter Konsens der Völkerwelt galt. Ich meine, wir brauchen wieder eine Internationale Gesinnung, wie sie etwa den Christen der ersten drei Jahrhunderte zu eigen war. Seit 1948 ist eigentlich alles erklärt, was wir für eine weniger kriegerische und weniger ungerechte Welt bräuchten.

Abschied von der steinzeitlichen Gruppenmoral

Hätte das Wort der Vernunft auch nur halb so viel Wirkung wie die Magie der Fahne, die Verhältnisse auf dieser Erde wären in wohl allen Belangen spürbar besser bestellt. Wer einmal die tränenerfüllte Rührseligkeit von Männern anlässlich einer patriotischen Fahnen-Zeremonie erlebt hat, begreift mit welcher Art von "Gefühlskultur" wir es hier zu tun haben. Unter der Flagge konstatieren die politischen Führer aller Zeiten, dass ihre Nation zu schier übermenschlichen Opfern fähig ist. (Stets, wenn so gesprochen wird, werden Massengräber nicht mehr lange auf sich warten lassen). Das klare Denken, zu dem die menschliche Großhirnrinde an sich durchaus in der Lage ist, wird durch Flaggenwehen und Fahneneid vollständig benebelt. Wertvolle Fähigkeiten des Einzelnen wie das zwischenmenschliche Mitgefühl werden entweder ausgeschaltet oder instrumentalisiert, je nachdem, wie es für die abstrakten Feindbilder oder Heldenkulte der Flaggen-Propaganda gerade günstig ist. Warum ist dieses Modell, das uns noch unlängst einen zweiten(!) Weltkrieg mit über 50 Millionen Kriegstoten in Europa beschert hat, noch immer nicht ausgestorben? Für welche Interessen ist das erhebende kollektive Gefühl einer national transformierten steinzeitlichen Gruppenmoral in einer globaler werdenden Welt systemnotwendig? Das ließe sich an vielen Beispielen leicht aufzeigen: Wie sonst sollte man in einem Land am Rande des wirtschaftlichen Abgrundes Mehrheiten erzielen für jenes Milliarden-Futter, das dem Drachen Rüstungsindustrie in den Rachen geschoben wird? Wie sonst sollte man es begründen und durchsetzen, dass Flüchtlinge, Asylbewerber, Menschen mit einer anderen Herkunft schleunigst "unser Land" wieder zu verlassen haben, obwohl sie doch eben Menschen sind, so wie Du oder ich?

In dieser Welt ist es zu spät für den Kult der Flaggen

"In dieser Welt ist es zu spät für eure Flagge, ja zu spät für alle Flaggen!" So sagt es ein christlicher US-Missionar seinen Landsleuten im Antikriegsfilm-Klassiker "Sand Pebbles", den Robert Wise bereits 1966 nach einer Romanvorlage von Richard McKenna drehte. Die Propheten Israels haben der Menschheit eine Vision geschenkt, die sie aus ihren Annalen nie wieder streichen kann: Einst werden alle Völker zu einem Haus kommen, das die Nationen vereint. Sie schmieden aus ihren Schwertern Pflüge für den Acker, und nicht mehr übt ein Volk wider das andere den Krieg. "Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, und niemand schreckt ihn auf!" (Micha 4,1-4; vgl. Jesaja 2,2-4) - Jesus von Nazareth verkündet: Aus allen Himmelsrichtungen werden sie kommen zum Festmahl der Völker (Lk 13,29; Mt 8,11). Die Gesinnung der Apostelgeschichte lässt sich bereits ohne Mühe als internationalistisch identifizieren. Einstmals hatte der imperiale Größenwahn babylonischer Machart die Völker isoliert und einander entfremdet. Jetzt wird eine Sprache geboren, in deren Raum sich die ganze Menschheit verständigen kann. - Paulus entzaubert die nationalen Großkollektive der Weltgesellschaft. Welche Nation, welche Rasse? Das ist doch völlig egal! Ihr seid jetzt freigekauft von solchen steinzeitlichen Unterscheidungen (Gal 3,27f; 1 Kor 12,13)! Die frühen Christen sind Anhänger eines "neuen Weges" (Apg 9,2; 19,9.23; 22,4), der nicht mehr auf einen Reichsadler, sondern auf die Taube sieht. Höchstwahrscheinlich ist das Maß ihrer praktizierten internationalen Solidarität historisch wirklich ein Novum. Dass da Brüder und Schwestern aus allen Nationen zueinander finden, jenseits aller Grenzen, gerade das war wohl in den Augen des römischen Imperiums äußerst suspekt an dieser neuen "Sekte".

Jeder von uns sollte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 mit sich tragen

Heute, zur Stunde, ist es wichtiger denn je, an den frühen christlichen Internationalismus anzuknüpfen und ihn ohne Religionsgrenzen ausnahmslos auf die ganze Menschheit zu beziehen. Der vernünftige und angemessene Ort dafür ist nach meinem Dafürhalten keine ferne Utopie, sondern die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, wie sie die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verkündet hat. Da gab es kurz nach einem unvorstellbaren Weltkrieg ein unglaubliches Pfingstfest der Völker, das der Barbarei ein für alle mal ein Ende bereiten sollte. Man hätte, noch starr vor Schrecken, gerade jetzt eine Neuauflage der alten Leier eines Thomas Hobbes präsentieren können, jene Ideologie, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Doch stattdessen verkündeten die Nationen eine Weltzivilisation, in der der Mensch dem Menschen Schwester und Bruder ist. "Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte" wurde als "Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt" an den Anfang gestellt. Jedes Menschenantlitz war gemeint. Nie wieder würde eine Nationalflagge dazu berechtigen, irgendeine Unterscheidung vorzunehmen. - Verbindlich freilich wird diese Erklärung als "moralisches" Herz der UNO für einen Staat erst durch die Ratifizierung der zugehörigen Internationalen Pakte, Konventionen, Zusatzprotokolle und schließlich des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes. (An diesem Punkt haben namentlich die USA als einstige Mitinitiatoren der Deklaration einen erschreckenden Nachholbedarf!) Nicht nur in Menschenrechtsgruppen sollte jeder diese Erklärung als kostbares Kleinod mit sich führen. Was hindert uns daran, uns verantwortlich als Bürgerinnen und Bürger der UNO zu verstehen? Die Vereinten Nationen brauchen keine neue Vision. Sie brauchen eine weltweite Bewegung von unten, die sie gewaltfrei von ihren Besatzern befreit.

Leider lamentieren auch so genannte Fortschrittliche, die noch niemals die dreißig Artikel gelesen haben, gerne über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Sie verwechseln den Geist dieses Manifestes der Humanität mit solchen Impulsen der bürgerlichen Revolution des 18. Jahrhunderts, die vor allem auf absolute Garantien für das Privateigentum der Besitzenden zielten, mit jenen "unveräußerlichen" Idealen einer Bill of Rights also, die sich mit Völkermord an "Ureinwohnern", Ausbeutung, Sklaverei und Rassismus sehr wohl vereinbaren ließen. Tatsächlich geht die Erklärung noch über die besten liberalen Traditionen des Bürgertums weit hinaus. Da wird nicht mehr propagandistisch nur eine abstrakte "Gleichheit" und "Freiheit" aller Menschen - ohne die Unterscheidung nach Rasse, Nationalität, Geschlecht oder Religion - postuliert. Vielmehr kommt der leibhaftige Mensch aus Fleisch und Blut in den Blick. Der braucht etwas zum essen und zum trinken, um überhaupt zu leben und in den Genuss seiner unantastbaren Würde zu kommen. Dem helfen die Artikel 3 bis 5 rein gar nichts, wenn niemand den schwarzen Garden, Sklavenhaltern und Folterknechten wehrt. Der wird, wenn er weder Arbeit noch Einkommen hat, von der schönsten Moral nicht satt. Der kann krank werden, und dann braucht er wirksame medizinische Hilfe. Dem nützt das Recht auf einen Anwalt schier gar nichts, wenn er ihn nicht bezahlen kann. Der braucht, damit Freiheitsrechte, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Mitgestaltung der Gesellschaft nicht nur fromme Sprüche bleiben, Respekt, Gerechtigkeit im sozialen Leben und Bildungsmöglichkeiten... All das mündet in den Artikel 28, der zur Stunde schier revolutionär klingt: "Jeder Mensch hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in welcher die in der vorliegenden Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können."

Diese Erklärung verspricht kein utopisches Seelenheil. Sie verkündet das einfache Grundprinzip einer Humanität, die als Goldene Regel der Völker auch von Jesus geteilt wurde (Tob 4,15; Matth. 7,12; Lk 6,31): Was du brauchst und erwartest, das gestehe jedem anderen Menschen auch zu. Wer sie als nichtssagendes Programm bürgerlicher Liberalität belächelt oder diffizil die unmögliche Adaption dieser Menschenrechtstradition auf die verschiedenen Kulturkreise diskutiert, der sitzt im falschen Boot der zynischen Relativisten. Er kann sich eins wissen mit der UNO-Botschafterin der US-Regierung Ronald Reagans, Jeane Kirkpatrick, die einst die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der Deklaration als "einen Brief an den Weihnachtsmann" diffamierte (Chomsky 2001, 88f.). Gerade das Veto der US-Regierungen gegen eine globale Entwicklung dieser Rechte im Sinne des Artikels 28 zeigt: Hier ist anderes gemeint als jene "Freiheit", mit der die Falken in den USA pathetisch die Flagge der Weltmacht schmücken.

Die Gräuel der Geschichte sind nicht Kapitel einer nationalen Geschichte, sondern Niederlagen der ganzen Menschheit

Der Grundimpuls der Deklaration der universalen und unteilbaren Menschenrechte im Jahre 1948 lautete: "Nie wieder Auschwitz und nie wieder Krieg!" Die imperialistische Propaganda hat dies längst hinter sich gelassen und verbreitet die Losung: "Nie wieder Auschwitz und daher werden wir immer wieder Kriege führen!" Wir werden "unsere Freiheit" schützen und dafür weiterhin überall, wo wir es für notwendig erachten, massenhaft Menschleiber zerfetzen. Mit Auschwitz werden die massivsten Verletzungen der elementaren Menschenrechte gerechtfertigt. Scheußlicher kann man das Gedenken an die ermordeten Jugen und Zigeuner der Konzentrationslager nicht pervertieren. "Nie wieder Auschwitz und daher werden wir immer wieder Kriege führen!" Ausgiebig findet man unter den Agitatoren dieses Argumentationsmusters ausgerechnet jene, die an anderer Stelle dem Vergessen das Wort reden und einen Schlussstrich unter "dieses Kapitel" der nationalen Geschichte ziehen möchten. Sogar jene, die massenhaft Roma und Sinti in Elends-Ghettos auf den Gebieten Ex-Jugoslawiens abschieben, führen "Auschwitz" im Munde. Antisemitismus-Debatten werden hierzulande in widerlichster Weise parteipolitisch instrumentalisiert. Keiner, der wirklich hören kann, wird hier auch nur im Ansatz menschlich glaubwürdige Betroffenheit entdecken können. Und eben all dies widerspricht dem Geist von 1948, mit dem sich die Völker als Vereinte Nationen auf den Weg begaben. Die Gräuel der Geschichte sollten eben nicht länger auf der Ebene nationaler Konkurrenzen und gegenseitiger Schuldaufrechnungen verhandelt werden. Schluss gemacht werden sollte mit jener Heiligenschein-Logik von Rechthaberei und Vergeltung, die "Moral" noch stets zur Selbstrechtfertigung missbraucht hat. Nie wieder sollte es heißen: "Verzichtet auf euer moralisches Urteil in dieser oder jener Sache, ihr habt ja sechs Millionen Juden ermordet und ganz Europa in den Abgrund gestürzt!" Oder: "Ihr habt dafür die Indianervölker ausgerottet, die Afrikaner versklavt und in Hiroshima die Weltrekordzeit im Massenmorden überboten!" Und so weiter... So reden "Patrioten", die auf der Grundlage ihrer Ideologie überhaupt gar keine Moral haben können. Doch so sollte man nie wieder reden. Man sollte anfangen, zu begreifen, dass Auschwitz nicht nur die bleibende Signatur jeder deutschen Geschichtsschreibung, sondern eine unaussprechliche Niederlage für die gesamte Menschenfamilie darstellt. Man sollte verstehen, dass in Hiroshima und Nagasaki Schande über die ganze Menschheit gekommen ist. Man sollte endlich einsehen, dass jeder Krieg eine Niederlage des Menschengeschlechts ist und dass jede Folterkammer, jeder Rassenhass und jedes von Menschen erdachte Menschenelend uns alle betrifft. Endlich sollte jeder verstehen, dass die grausamen Schrecken der Menschengeschichte eine Angelegenheit der ganzen Menschenfamilie sind. (Alle, die damit anfangen, werden ohne gewundene Lamentos selbstverständlich immer den Beitrag ihrer regionalen Geschichte, ihres Kulturraumes und ihrer Weltanschauung oder Religion zuerst bedenken.) Endlich sollte an die Stelle der ekelhaften vaterländischen Geschichtsschreiberlinge, der aufrechnenden politischen Moralisten und all jener Selbstgerechten, die im Namen angeblicher "Menschenrechte" vor den Augen aller Wellt die größten Verbrechen wahr werden lassen, nur noch ein einziges Antlitz, das Antlitz des Menschen treten. So meint es der Menschensohn im Evangelium nach Matthäus und so meint es die Versammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1948.

Eine universale weiße Fahne

Wenn es einen Anknüpfungspunkt zur einer Zivilisation der Solidarität und des Friedens gibt, hier ist sie zu finden, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Das Denken ist nicht nur jene Waffe, die sich zynisch einer grausamen Weltordnung der Menschengeschichte als Dienstleister unterstellt. Wir wissen spätestens wieder seit einem halben Jahrhundert, was bereits in drei tausend Jahren als Erkenntnis für die Menschengeschichte unwiderruflich offen steht: Das Denken kann auch zivilisatorisch zur Vernunft reifen, die das Ego-Programm der Steinzeit hinter sich lässt und zur Menschlichkeit, zur Humanität vordringt. Zwei entgegengesetzte Globalisierungen treffen heute aufeinander: die Globalisierung in den Fußstapfen Babylons und der Cäsaren und die pfingstliche Globalisierung der Humanität, die das Kostbarste aller Völker und Kulturen in sich trägt. Die globalen Drahtzieher der nationalen und transnationalen Gier wollen den Himmel erstürmen und verwandeln den Globus in eine Arena blutiger Konkurrenz. Der Eros der globalen Netzwerke des Lebens ist der Erde verbunden und kultiviert eine Ästhetik von der Schönheit der Völker. Die Globalisierung der Götzen Mammon, Macht und Krieg zerstört das Eigentümliche lebendiger Lebensräume und installiert weltweit eine flache Einheitskultur des Profits. Die Globalisierungsfreunde der Humanität setzen dagegen auf die Kommunikation eines vielfältigen Reichtums, an dem sie sich respektvoll und neugierig erfreuen. Zivilisation bedeutet für sie, die Angstherrschaft der Götzen des Todes durch eine Kultur des Lebens zu entmachten. Wo immer der Druck der Angst für unsere Spezies gemildert wird, da wird auch der Mensch individuell und kollektiv fähiger zu einer übergreifenden Solidarität jenseits von nationalen, rassischen, religiösen oder sonstigen Schranken. Zu viele kleine und große Vorbilder gibt es in der Geschichte dafür, das dies möglich ist und nicht als frommer Unsinn abgetan werden darf. Zu viele Hinweise darauf gibt es, dass dies wirklich werden muss, wenn die Menschheit zusammen mit den anderen Festgästen auf diesem Planeten überleben soll.

Ich meine, der Götzenkult der Flagge wäre ein äußerer Gradmesser für diesen Kairos. Schaffen wir es, in den Regionen der Erde - ähnlich wie die lustigen Völkchen mancher Märchen - in lebensfrohen Symbolen und Farben unsere Zugehörigkeit zur Menschenfamilie fröhlich anzuzeigen? Werden wir die blutgetränkten Stoff-Fetzen der Geschichte, die kein Meister Propper mehr rein waschen kann, verbrennen? Werden wir es wenigsten versuchen, die universale weiße Fahne zu nähen? Schaffen wir es, die nationalen Götzenbilder zu verlassen? Gelingt es uns, an einem guten Ende nur noch die eine bewohnte Erdkugel - umringt von einem Menschenkreis und anderen Lebewesen - auf einem einzigen, übrig gebliebenen Banner zu zeigen?

Peter Bürger

Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen

Im Düsseldorfer Roma-Camp zeigten Kirchenleute, Politiker, Friedensbewegte und Prominente deutliche Solidarität.

Kurzfristig hatten vor allem Kirchenleute, Friedensgruppen, zwei Asyl-Organisationen und das Obdachlosenmagazin fiftyfifty am 25. Juli 2002 zur Solidarität mit den 500 Roma auf dem Flinger Schützenplatz eingeladen. Malen für die Kinder beim Stand der ev. Kirche, Trinken, Essen, miteinander reden und ein großes Kreisforum bildeten den Rahmen. Fast 200 Düsseldorfer kamen zu diesem Fest der Begegnung von 18 bis 22 Uhr. Hinzu gesellte sich Prominenz, darunter der Schriftsteller Günter Wallraff, die Künstler Peter Royen, Prof. Wilfrid Polke und Claudia Rogge, der Lebenskünstler Peter von der Kö, Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald und ihr Vorgänger Gerhard Gericke, Franziskanerbruder Matthäus und Dominikanerpater Wolfgang Sieffert. Sie alle erklärten inmitten eines großen Kreisforums ihre deutliche Sympathie: "Wir wollen Euch hier im Land haben, ja wir brauchen euch als Menschen!" Hubert Ostendorf kam von einem Wohnungslosentreffen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Solidarität der Ärmsten in der Stadt zu überbringen. Am späten Abend waren sich alle Initiatoren einig: Hier geht es um mehr als um politische Aktion. Dies war ein wunderbares Fest und wirkliche Begegnung zwischen unterschiedlichsten Menschen.

Kritik am Oberbürgermeister seitens der Anwohner

Unter den anwesenden Politikern stellte sich auch Anneliese Böcker (CDU) den kritischen Fragen. Sie erhielt zwar keine Zustimmung für ihre vorgetragenen Positionen, wurde aber für ihre Bereitschaft zum Zuhören gelobt. Im Vorfeld hatte die ev. Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald in einem sehr kritischen Brief die Gesprächs- und Hilfsbereitschaft des Oberbürgermeisters Erwin (CDU) eingefordert. - Ihr kam auch wegen des praktischen Engagements herzliche Sympathie von allen Seiten entgegen. - Auf dem Fest wurde nun auch seitens der Anwohner die Kritik am Stadtoberhaupt bestätigt. Ein Initiator der Unterschriftenliste gegen die Umstände des Roma-Camps richtete sich über Mikrofon an die Roma: "Wir haben nichts gegen Euch. Ihr seid Menschen wie wir. Doch wir möchten für alle Seiten gute Verhältnisse auf dem Platz. Das fordern wir von der Politik und vor allem vom Oberbürgermeister ein!" Die Ärgernisse, so formulierten andere Anwohner, ließen sich doch ganz praktisch lösen: "Müssen denn alle Toiletten zusammen ausgerechnet in der Nähe anliegender Häuser aufgestellt werden?" Dass sich gerade viele kritische Anwohner inmitten des Festes zu Wort meldeten und sich für Gespräche öffneten, werten die Initiatoren als großen Erfolg. Ein jugendlicher Romavertreter sprach eine herzliche Einladung aus: "Kommt zu uns auf den Platz. Spielt Fußball mit uns. Wir können uns doch kennen lernen!"

Appell an den Innenminister aus den Reihen der SPD

Ratsfrau Marion Enke teilte mit, SPD, Grüne und die regierende FDP hätten den Oberbürgermeister zum Einlenken aufgefordert. Immer wieder wurde neben den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern im Düsseldorfer Rat der Innenminister in den Beiträgen genannt. Er sei Ansprechpartner für jene Abschiebungspolitik, die wie ein Damoklesschwert über den mehr als 500 Roma schwebt. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Flingerbroich, H.-W. Schuster, forderte den "Genossen Fritz Behrens" in einem Offenen Brief vom 24.7. auf, die "Forderungen der Roma als berechtigt anzuerkennen und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner weiteren Abschiebung mehr kommt." Eines der Transparente am Hellweg verkündet: "Roma sind auch Europäer!" Daran knüpfte Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt an: "Mittlerweile leben 15 Millionen Roma in Europa. Es gibt kaum eine Minderheit, über die man so wenig weiß und über die man gleichzeitig so viele Vorurteile pflegt. Das geht seit mehr als 500 Jahren so. In dieser Kette steht die Entscheidung des NRW-Innenministers, Kinder und Jugendliche, die hier geboren sind, die deutschsprachig aufwachsen und die hier deutsche Freunde haben, abzuschieben und damit gute Pflanzungen der Integration einfach auszureißen. Genau hier liegt aber eine große Chance, das Europa der Zukunft heute zeichenhaft vorwegzunehmen!" Das müsste offiziell in der Asylpolitik kein Problem sein. Deutschland könnte die Roma - mit Blick auf die realen Verhältnisse in den Herkunftsgebieten der Flüchtlinge - endlich als Minderheit anerkennen.

Kein Blick in die Geschichte?

In der kleinen Zeltausstellung vor Ort erläuterte Frau Mirkowitsch vom "Roma-Center of Integration" für alle Interessierten Wegmarken einer langen Geschichte. Mehr als eine halbe Millionen Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den deutsch besetzten Gebieten Europas. Dazu gehörten auch Teile des ehemaligen Jugoslawiens, dem Herkunftsland der Düsseldorfer Roma. Dazu heißt es in einem Brief des Innenministeriums vom 19.7. an den Flüchtlingsrat Ratingen wörtlich, "historische Begebenheiten" könnten "keine Grundlage für eine Bleiberechtsregelung" sein. Auch dazu nahm Dzoni Sichelschmidt von der Roma-Union Stellung: "Die Geschichte der Nazi-Verfolgung ist heute in der Tat kein zwingendes Argument. Hier lebt eine andere deutsche Generation in einem anderen deutschen Staat. Doch die Geschichte bildet einen Hintergrund, vor dem Landes- und Kommunalpolitiker eine besondere Sensibilität wie bei anderen Verfolgungsgruppen auch zeigen könnten. Eine Bereitschaft zum Zuhören und praktische Gesten vor Ort wären ein deutliches Zeichen."

Wir sind die Beschenkten

Zum Schluss des langen Abends fanden sich fast alle Besucher in den Worten der ev. Stadtsuperintendentin wieder: "Nicht wir waren hier die Gastgeber. Wir waren heute Gäste, die durch herzliche Menschlichkeit beschenkt worden sind."

P. Bürger (Ökumenisches Friedensnetz)
Infos zum Roma-Camp Düssseldorf: www.krit.de


Kultur des Todes: Kriegspropgaganda aus Hollywood

Ein Filmprojekt wartet auf eine ganz andere Fortsetzung

Pünktlich zum Deutschlandbesuch von US-Präsident Bush liefen zum Mai 2002 im Düsseldorfer Programmkino Metropol die "Wochen des US-amerikanischen Antikriegsfilms" an. Die Idee dazu kam aus dem Ökumenischen Friedensnetz. Zu sehen waren keine pazifistischen Außenseiterfilme, sondern durchaus sehr erfolgreiche Hollywood-Produktionen. Für die Themen Hiroshima, Lateinamerika oder Golfkrieg stand kaum ein Titel zur Auswahl. Doch erstaunlich bleibt es, wie Drehbuchautoren und Regisseure aus den USA bis in die Gegenwart hinein vor allem die Erfahrungen des Vietnamkrieges kritisch umsetzen. Bereits 1966 proklamiert in dem wenig bekannten Robert-Wise-Klassiker "The Sand Pebbles" ein US-Missionar: "Zu spät ist es auf dieser Welt für eure Flaggen, für alle Flaggen!" Das Schema von "Gut und Böse" wird durchbrochen, wenn Coppolas "Apokalypse now" (1976-79/2000) oder Oliver Stones "Platoon" (1986) ungeschminkt die Kriegsverbrechen der US-Army auf die Leinwand bringen. Stanley Kubrick (Full Metal Jacket, 1986) und Joel Schuhmacher (Tigerland, 2000) zeigen, wie Militär das Individuum zerstört und es in einen Massenkiller verwandelt. Levinsons "Good Morning Vietnam" (1987) und "Wag The Dog" (1997) entlarven die Medienlüge als Teil der Militärpropaganda. An "saubere" Interventionsgründe glaubt zum Schluss kein Zuschauer mehr. In Malicks "The Thin Red Line" (1998) geht es gar um die philosophische Suche nach einer ursprünglichen Schönheit und Unverdorbenheit des Menschen: "Wie hat sich der Krieg - diese Böse - bei uns eingeschlichen?"

Wer "Snow Falling on Cedars" (USA 2000), Spielbergs "Amistad" oder "Mississippi Burning" gesehen hat, ahnt: Hollywood ist, wenn es insgesamt um die Sensibilisierung für Menschen- und Bürgerrechte geht, mit zahlreichen Titeln viel besser als sein Ruf. Unübersehbar und spannend ist in jedem Fall speziell die Geschichte des US-amerikanischen Antikriegsfilms. Kritiker werden einwenden, dass auch dieses Genre, wenn es auf ein Massenpublikum zielt, eben dem Kriegsfilm zugehört. Doch diese politische Korrektheit übersieht, dass Bilder des Krieges und die sich aufdrängenden Fragen in Produktionen der genannten Art eben viele Menschen erreichen und das gesellschaftliche Klima mitgestalten.

Kriegspropaganda aus Hollywood?

Die Rückkehr des "II. Weltkrieges" im US-Film hat unlängst noch Titel hervorgebracht, die weniger zur Kriegsverklärung beitragen (u.a.: The Sound Of War; Der Soldat Ryan). Es steht aber zu befürchten, dass es mit Kassenschlagern, die in einer eher kritischen Tradition stehen, schon sehr bald vorbei sein wird. Das Filmprojekt der Düsseldorfer Friedensbewegung müsste nunmehr ein anderes Hollywood-Angebot, das immer zielstrebiger in die großen Kinos drängt, unter die Lupe nehmen. Romantische und äußerst fragwürdige Verklärungen der frühen US-Geschichte - "Revolution", "Patriot"... - vermitteln eine Wertewelt, die nur scheinbar mit der europäischen Menschenrechtstradition im Einklang steht. Doch diese Beispiele einer national verengten "Bill Of Rights" sind noch eher harmlos. Der "Postman" von und mit Kevin Costner bereitet die Zuschauer darauf vor, wie im Jahre 2013 nach einem globalen Krieg die zerstörte Zivilisation unter dem Vorzeichen des US-Patriotismus wieder aufersteht. Die Macher informieren in ihren DVD-Beigaben, wie sehr dieses apokalyptische Szenarium mit seiner Chance zu neuem Pioniergeist doch fasziniert und zugleich Lösungen - etwa angesichts der hoffnungslosen Überbevölkerung des Planeten - anbietet!

Als erschreckendes Beispiel der sich schon länger anbahnenden neuen Propaganda-Welle des Todes mag das monumentale Kriegsepos "Pearl Harbour" (USA 2001, Regie: Michael Bay) dienen. Die DVD-Ausgabe dokumentiert hier ausführlich die intensive Kooperation mit dem Pentagon und die unglaublich umfangreiche "militärische Unterstützung" für diese sehr junge Produktion. Mit technischen Höchstleistungen gelingt der Regie mit "Pearl Harbour" ein Kriegsfilm, der bezogen auf das Trauma des 11. Septembers 2001 fast wie bestellt erscheint. Zusammenhalt, so die Botschaft, ermöglicht die Rettung nach der nationalen Katastrophe. Mit einem Jesus-Wort tröstet der Militärgeistliche den sterbenden Soldaten wie einen Märtyrer: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. - Geh mit Gott, mein Sohn." Das "Böse" kommt im asiatischen Gesicht des Feindes zur dramatischen Darstellung. Während in der Präsidentenumgebung nur ein farbiger Butler auszumachen ist, bekommt ein anderer Farbiger, ein unbedeutender Schiffskoch, die Chance, durch seinen unerschrockenen - wild dargestellten - Dienst am vormals verbotenen Militärgerät zum Volkshelden aufzusteigen. Sensibler wird freilich die Geschichte eines weißen Piloten-Duos, das die "wahren Helden" verkörpert, nachempfunden. (Man wünscht sich, die persönlichen Geschicke von Kriegsopfern aller Seiten würden innerhalb des Genres vergleichsweise einfühlsam vermittelt). Der heroische Dienst der Krankenschwestern wird zum Vorbild. Diese patriotischen Frauen sind keineswegs prüde, sondern ausgesprochen sexy. Die eilig beschafften Blutkonserven werden aus sterilisierten CocaCola-Flaschen verabreicht. Den Ruf zum todesbereiten Rachefeldzug im Schlusskapitel - "Wir fliegen auf Tokio!" - beantworten alle Piloten brüllend mit "Ja!" Historischer Ertrag des Einsatzes: bis zu 80.000 Tote in Tokio. (Die spätere Rache für "Pearl Harbour" - durch "experimentelle" Atombombenabwürfe auf zwei japanische Städte ohne Vorwarnung - wird mit keiner Silbe erwähnt!) Der sentimental verklärte Patriotismus dieses Films ist an den meisten Stellen nicht bloß eine Geschmacksfrage. Inmitten der althergebrachten Stereotypen der Militärpropaganda und aufwendigster technischer Effekte ist eine ehrliche Betroffenheit über den Krieg als Niederlage alles Menschlichen nicht auszumachen. Präsident Roosevelt resümiert in diesem Opus von 2001: "Amerika hat gelitten, aber auch an Stärke gewonnen. Die Zeiten haben uns vor eine harte Probe gestellt, und wir sind daran gewachsen." Man kann sich -mit Tucholsky - des Verdachtes nicht erwehren, dass hier im Gewande des Toten- und Heldengedenkens Reklame für einen neuen Krieg gemacht wird.

Nicht minder drastisch und noch "aktueller" wirkt ein neuer Spitzenreiter des US-Kinos, der im Juni 2002 zeitgleich mit öffentlichen Warnmeldungen über "schmutzige" Terroristenbomben anlief: Im Thriller "The Sum of All Fears" (dt. Der Anschlag) legen Terroristen halb Baltimore mit einem Nuklearsprengsatz in Schutt und Asche. Das Pentagon war auch hier mit von der Partie. Es unterstützte die Produktion u.a. mit einem Flugzeugträger, Bombern, Kampfjets, Marine-Hubschraubern und Mannschaftsbesatzungen, die kein Filmbudget bezahlen könnte. Solche massive Förderung durch die Armee der USA, die mit Griffiths´ "Geburt einer Nation" (1915) auf eine fast 100jährige "Tradition" zurückblicken kann, genießen heute Produktionen wie das Somalia-Drama "Black Hawk Down", der loyale - die Geschichte neu schreibende - Vietnam-Film "Wir waren Helden" (bei uns auf allen Litfass-Säulen prankend) oder das Heldenepos "Windtalkers". Ja, ausdrücklich dürfen sich jetzt auch die Vietnam-Veteranen wieder als Heroen fühlen, nach dem Hollywood durch die eingangs genannten Titel ihren Ruf schwer beschädigt hatte. Passend zum Kampf der USA gegen eine neue internationale Rechtsordnung läuft der menschenverachtende Streifen "Rules" (Sekunden der Entscheidung) von William Friedkin: Ein Kriegsverbrecher, dem wegen eines militärischen Schießbefehls auf jemenitische Frauen und Kinder der Prozess gemacht werden soll, erscheint in "Rules" als unschuldig diffamierter Patriot, mit dem sich der Zuschauer mitfühlend identifizieren soll. So will man dem Publikum vermitteln, warum US-Soldaten gegenüber einem böswilligen Internationalen Strafgerichtshof immun bleiben müssen und warum es moralisch korrekt ist, sogar muslimische Kinder zu töten. (Entsprechend gab es empörte Proteste muslimischer Verbände in den USA). Der Beauftragte des Pentagon für die Unterhaltungsindustrie, Philip M. Strub, kommentiert die Kooperation zwischen Army und Hollywood so: "Wir begrüßen die Möglichkeit, uns über ein so machtvolles Medium direkt an das amerikanische Publikum zu wenden." (New York Times). Filmen, die wie "Courage Under Fire" (1996) keine wirklich "guten" US-Soldaten im Irakkrieg zeigten, wurde jegliche Militärhilfe selbstverständlich verwehrt.

"Reality-Show"

Leider zielt der Propaganda-Apparat im Dienste der "demokratischen Kultur" nicht nur auf das Kino. Besonders der notwendige Nachwuchs der US-Army wird 2002 mit einem breit gestreuten Kriegs-Computerspiel animiert. Jeder Teilnehmer des Ego-Shooter-Spiels ist mit seinen enormen Tötungsleistungen direkt mit dem Anbieter - dem Pentagon-Server - vernetzt: Ein Baustein in einer propagandistischen und profitträchtigen "Kultur des Todes", die so offenkundig der vom katholischen Papst geforderten "Kultur der Liebe" entgegengesetzt ist.

Dan Rather, einer der bekanntesten US-Fernsehmoderatoren, hat die Unterwerfung der "freien Presse" unter einen überflutenden US-Patriotismus zur Sprache gebracht und in diesem Zusammenhang öffentlich eigene Selbstzensur eingestanden. (Junge Welt, 25.6.2002) Seit Vietnam wissen die Regierenden auch endgültig, dass ihre Wähler nie wieder Bilder der wirklichen Kriege zu Gesicht bekommen dürfen. Im Februar 2002 sah sich das Pentagon nach einem Enthüllungsbericht der "New York Times" über ausgeklügelte Propagandapläne des US-Militärs zu einem Dementi genötigt. Das Pentagon beabsichtige nicht, zu lügen. Im Rahmen des "Krieges gegen den Terror" war ein "Büro für strategische Beeinflussung" (OSI) installiert worden. Bereits im Golfkrieg (1990) hatte man die PR-Agentur Redon Group in Washington federführend an Kriegskampagnen beteiligt. Über so genannte "psychologische Kriegsführung" waren auch 2002 erschreckende Originalzitate aus den USA zu lesen. Mit Blick auf die Irak-Pläne der US-Regierung hat Clemens Ronnefeldt (Versöhnungsbund) einige Meldungen zusammengetragen: Das Washingtoner Center for Strategic Studies (CSIS) warnt in einer Studie, "ein Luftkrieg (der USA gegen Irak) könnte nicht so präzise geführt werden, dass `hohe Kollateralschäden und viele Ziviltote vermieden´ werden könnten" (FR, 28.2.02). Um Protest und Widerstand an der Heimatfront vorzubeugen, hat die US-Regierung neue Ideen im Kampf um "Herzen und Hirne" entwickelt. Damit die öffentliche Meinung in den USA neue Feldzüge mitträgt, hat das US-Außenministerium die erfolgreichste Werbefrau (Uncle Ben´s Reis, Hoover-Staubsauger) der USA, Charlotte Beers, für "Public Diplomacy" eingestellt. Während ausgebildete, professionelle Journalisten teilweise mit US-Waffengewalt an der Ausübung ihres Berufes in Afghanistan gehindert werden, hat das Pentagon einer Hollywood-Produktionsfirma "mit nachgewiesener patriotischer Legitimation Zugang zu ... Einheiten in Afghanistan, Somalia und auf den Philippinen" gewährt, "um eine 13 Teile lange so genannte Reality Show mit dem Titel `Profile von der Front´ zu drehen. `Wir werden natürlich eine pro-militärische Haltung haben´, erläuterte einer der Produzenten" (FR, 28.2.02). Die TV-Anstalt ABC hat die Serie bereits ungesehen gekauft und für die beste Sendezeit vorgeplant.

Ohne eine - auch internationale - Vernetzung des unabhängigen Journalismus und ohne eine wirksame kritisch-alternative Medienplattform wird die zunehmend gleichgeschaltete Welt der Information und Unterhaltung kein Gegengewicht fürchten müssen. Dabei ist die offenkundigste Form der Manipulation noch am leichtesten zu entlarven. "Wochen des US-amerikanischen Kriegspropagandafilms", so müsste die Fortsetzung des eingangs vorgestellten Friedensprojektes heißen.

P. Bürger (Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorf)

Siehe auch US-Antikriegsfilmwochen

Seite zuletzt geändert: 2003-08-25 wk.
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