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"Das Dunkel lässt sich nicht
durch Waffen erleuchten.
Das Dunkel entfernt sich nur,
indem man Licht macht."
Johannes Paul II.
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Aus unserem Friedensnetz
Predigt zu unserem Ökumenischem Friedensgottesdienst am 13.7.2003
Menschen auf jedem Kontinent: JA
Liebe Friedensfreunde, liebe Friedensfreundinnen!
Jeder der Menschen auf diesem Fries hat ein eigenes Gesicht, und doch
teilt auch jeder die Hälfte seines Gesichtes mit dem Gesicht des
Nachbarn. Der Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet hat sein Bild
"Wir gehören doch alle zusammen" genannt, - und er drückt damit
Realität aus - aber zugleich auch eine Vision. Die Realität besteht
darin, dass wir alle Menschen sind, und als Menschen sind wir
Verwandte. Es mögen uns kulturelle und ökonomische Unterschiede oder
Traditionen trennen, aber fragen wir einen Menschen aus Asien:
Brauchst Du Liebe? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen
Menschen aus Afrika: Brauchst Du Anerkennung? Und er wird sagen: Ja!
Oder fragen wir einen Menschen aus Russland: Brauchst Du Geborgenheit?
Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir einen Menschen aus Australien:
Möchtest Du glücklich sein? Und er wird sagen: Ja! Oder fragen wir
einen Menschen aus dem Nahen Osten: Möchtest Du im Frieden leben? Und
er wird sagen: Ja!
Immer dann, wenn wir Menschen einander unverstellt begegnen, - wenn
wir so miteinander ins Gespräch kommen, dass wir uns unsere
elementaren Bedürfnisse eingestehen, - wenn wir davon reden können;
was wir zum Leben brauchen, was uns gut tut, was uns trösten und
helfen würde, - werden wir die Erfahrung machen, dass es vieles gibt,
was uns miteinander verbindet, - dass wir nicht nur einander ähnlich
sind, sondern im Innersten verwandt.
Und kommen wir noch tiefer ins Gespräch und lernen uns kennen, werden
wir auch erfahren, wie sehr wir einander brauchen und ergänzen
können. Denn sind wir einander auch gleich in unseren
Grundbedürfnissen, so sind wir doch verschieden in unseren
Fähigkeiten. Aber haben wir entdeckt, was wir alle nötig haben, dann
kann daraus die Frage entstehen, wie wir einander helfen können, -
jeder mit dem, was er besonders gut kann.
Nun höre ich von überallher Stimmen, die sagen: Das ist Spinnerei, das
sind Träume und Illusionen, - und diese Stimmen kommen auch aus meinem
eigenen Inneren.
Die Erfahrungen, die die Menschheit mit sich selber gemacht hat und
immer noch macht, sind ganz andere: Da verhindern Vorurteile und
Ängste, dass Menschen einander unverstellt begegnen; da bewirkt unser
Gotteskomplex, dass wir mächtiger, erfolgreicher, wohlhabender sein
wollen als andere; da regiert uns die Egomanie, die nur noch
Ich,Ich,Ich sagen kann; da verführt uns der Neid zum Hass und der Hass
zur Gewalt. Da sehen wir im anderen nicht mehr das Menschengesicht,
unserem ähnlich, sondern nur noch eine Fratze, in die wir
hineinschlagen; da werden Herz und Verstand benebelt von Ideologien, -
gerade auch von religiös begründeten Ideologien, - die uns
Allmächtigkeit suggerieren und uns sogar blind werden lassen für
unsere eigenen Lebensinteressen; da betrachten wir unsere Erde nicht
als Lebensgrundlage, sondern beuten sie rücksichtslos aus und machen
sie zur Müllhalde.
Das ist unsere Realität, - so könnten wir dem Künstler dieses Bildes
entgegenhalten. Und doch malte er dieses Bild, - als Protest gegen die
Resignation.
Denn was bringt die Resignation? Stillstand und Müdigkeit. Natürlich
hat die Resignation immer recht. Sie sagt: "Siehst du, das habe ich
schon vorher gewusst. Das hat doch alles keinen Zweck! Die Menschen
sind nun mal so. Was soll man sich darüber aufregen. Es lässt sich
doch nichts ändern...."
Und damit raubt sie uns das Leben.
Es gibt einen Blick in die Vergangenheit, der uns die Zukunft
verbaut. Es ist der Blick auf das Scheitern der Menschheit an der
Friedensfrage; auf das Scheitern so vieler Versuche, Kriege und
gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern. Dieser Blick zurück
kann uns lähmen. Und es ist schwer, sich dieser Lähmung zu entziehen.
Es gibt einen harten Satz Jesu im Neuen Testament, der uns - immer
wieder - aus solcher Lähmung herausholen könnte. Jesus sagt zu seinen
Jüngern: "Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann
Gott nicht gebrauchen", - gemeint ist: für die Arbeit an dem, was
Jesus das "Reich Gottes" genannt hat: also für die Mitarbeit an einer
besseren Welt, - für die Arbeit an der Zukunft.
Dass dies keine leichte Arbeit ist, zeigt das Leben Jesu. Aber - und
das ist die Lebensbotschaft des Mannes aus Nazareth: es gibt dazu
keine Alternative, die dem Leben dient. Die andere Seite wäre der
Stillstand, die Langeweile, der müde Tod.
Uns Christen ist damit die Unermüdlichkeit ins Stammbuch geschrieben;
die Zähigkeit der Hoffnung; das Wuchern mit unseren Pfunden, wie es in
einem Gleichnis Jesu heißt, d.h. der volle und radikale Einsatz
unserer Fähigkeiten; das Leben als Experiment, auf Zukunft
ausgerichtet.
Woher die Kraft dazu nehmen?, wird uns mancher fragen.
Der Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet nimmt sie aus dem Leben selbst.
Ich habe ihn einmal kennen gelernt: Ein kleiner, schwerst
hörbehinderter Mann, dem die Lebenslust aus den Augen spricht, - und
die ist überall in seinen Bildern zu finden, ja, sie springt den
Betrachter förmlich an. "Wir gehören doch alle zusammen", das ist
gleichsam sein Leitmotiv. Es geht ihm, besonders auch mit seinem
berühmt gewordenen Bild an der Berliner Mauer, um die Hoffnung auf ein
friedliches Zusammenleben aller Menschen und Kulturen. Und er scheint
der Meinung zu sein, dass dazu nicht so sehr viel gehört, wenn sich
nur alle Menschen auf ihre Freude am Leben besinnen würden, - auf ihre
Lebenslust, - auf die Freude an der Entdeckung von Gemeinsamkeiten; -
auf die Neugier und die Freude am Fremdartigen und am Andersartigen
bis hin zu gemeinsamen Festen mit gutem Essen und Trinken.
"Nur gemeinsam können wir unsere Ziele und Träume verwirklichen, -
alleine ist es nicht zu schaffen", sagte er in einem Interview. - Man
mag diesen Künstler Christophe-Emmanuel Bouchet als naiv
bezeichnen. Das wird der kluge Pessimist sicher tun. Aber wenn wir das
Leben als etwas Heiliges erkennen, als ein Geschenk Gottes, dann haben
wir allen Grund, das Leben - und nicht nur unser eigenes
Leben - zu bewahren, zu schützen, zu verteidigen - und wie könnten wir
das, ohne es auch zu genießen.
"Freunde, dass der Mandelzweig, sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein
Fingerzeig, wie das Leben siegt", heißt es in dem bekannten Lied von
Schalom Ben-Chorin, das er mitten im Zeiten Weltkrieg schrieb.
Das Leben haben wir alle gemeinsam und es ist für uns alle das
Wertvollste, das wir haben. Es muss gelingen, das allen Menschen,
durch alle Unterschiede der Traditionen, der Kulturen und der
Religionen hindurch und gegen die zerstörerischen Kräfte der Egomanie,
- auch in uns selbst - bewusst zu machen.
Uri Avneri, 80 Jahre alt, hat die "Gemeinsame
Israelisch-Palästinensische Aktionsgruppe für Frieden"
mitbegründet. In einer Rede sagte er - allen Schwierigkeiten zum
Trotz: "Aber wenn wir zusammen handeln - mit Nachdruck und
Entschlossenheit -, wird unsere Vision sich durchsetzen".
Wir brauchen ein universales Konzil des Lebens und damit des Friedens
aller Christen, wie es 1968 auf der Weltkirchenkonferenz in Uppsala
gefordert wurde. Wir brauchen ein Konzil des Lebens und damit des
Friedens aller abrahamitischen Konfessionen und danach aller
Religionen dieser Welt. Dafür lohnt es sich, zu leben und zu
arbeiten. - Amen.
(Predigt am 13.Juli in der
Johanneskirche Düsseldorf von Dr. Hans-Georg Wiedemann)
Kritik an der israelischen Regierung hat mit Antisemitismus nichts zu
tun. (Auch Palästinenser sind übrigens "Semiten"!) Viele Juden auf der
ganzen Welt, amnesty international und jüngst die
UNO-Menschenrechtskommission benennen die Militärpolitik der Regierung
Sharon gegenüber den Palästinensern unumwunden als Kriegsverbrechen.
In einer Schieflage dürfen jetzt aber palästinensische Verbrechen wie
die Selbst-Mordattentate in keiner Weise verharmlost werden. Sie
kosten unschuldigen Menschen das Leben und sind die eine Seite der
Gewaltspirale im Nahen Osten. Mit dem Propheten Jesaja (32,17f.)
ersehnen wir Gerechtigkeit und Frieden für die Menschen in Palästina
und Israel: "Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, und die
Tat der Gerechtigkeit Ruhe und Friede für immer: Mein Volk wird in
einer Aue des Friedens leben, in sicheren Wohnungen an stillen und
ruhigen Plätzen."
In der deutschen Friedensbewegung herrscht ein breiter Konsens über
die "doppelte Solidarität" mit Israel und Palästina. Wir sind
parteiisch für alle Opfer von Gewalt, gleich welcher Religion, Ethnie
oder Nation sie angehören. Um dies aktuell auszudrücken, regt unser
Ökumenisches Netz an, in der Friedensbewegung mit dem doppelten
Frieden - in der Sprache Israels und in der Sprache der arabischen
Welt - zu grüßen: "Shalom-Salaam" oder "Salaam-Shalom".
Unsere menschliche Solidarität ist mit Blick auf den Konflikt im Nahen
Osten unteilbar. Sie gilt gleichermaßen den israelischen wie den
palästinensischen Menschen. Sie sind unsere Schwestern und
Brüder. Zusammen mit einer breiten Ökumene setzen wir uns ein für
einen Frieden beider Völker mit der Zielsetzung: "Gerechtigkeit für
das palästinensische Volk im eigenen Staat, ohne Besetzung; Sicherheit
für das israelische Volk ohne Bedrohung und Angst; Achtung der
Menschenrechte aller Bürger und eine Zukunft in Gleichheit, die die
Möglichkeit zu Vergebung öffnet." Ohne eine Überwindung des Kreislaufs
von Angst, Gewalt und Rache kann es für Israelis und Palästinenser
keinen Frieden geben.
Menschen jüdischen Glaubens in Israel und überall auf der Welt kritisieren öffentlich die Politik der derzeitigen israelischen Regierung. Gleichzeitig vermischen andere Stimmen durch irrationale Strategien Fragen des Glaubensbekenntnisses, der ethnischen Zugehörigkeit und der aktuellen nationalen Politik. Zum einen tun das jene, die in unzulässiger Weise jede Kritik an der nationalen israelischen Politik als "Antisemitismus" diffamieren. Zum anderen tun dies auch diejenigen Stimmen, die ihre abscheuliche antisemitische Gesinnung heuchlerisch im Gewand einer Kritik an der israelischen Militärpolitik transportieren.
Angesichts dieser dumpfen Vermengungen und der bleibenden Gefahren des
Antisemitismus legen wir die folgenden Leitgedanken vor. Wir werden
diese Grundsätze nicht bei jeder Gelegenheit wiederholen.
- Die Glaubensgeschichte Israels hat die gesamte Völkerwelt für
alle Zeiten mit ihrem Reichtum beschenkt. Sie verbindet insbesondere
Juden, Christen und Muslime auf der ganzen Welt. In der prophetischen
Religion des Volkes Israel ist die Botschaft von der unbedingten Würde
jedes Menschen und der Unverletzbarkeit jedes Menschenlebens, die
Verbindung von Gottesehrfurcht und Mitmenschlichkeit sowie die Vision
eines umfassenden Friedens aller Völker begründet.
- Zahlreiche Juden, darunter etwa Martin Buber und Albert Einstein,
gehören zu den wunderbarsten Vertretern einer universalen menschlichen
Solidarität und haben ihre antimilitaristische Gesinnung auf
unvergleichliche Weise zum Ausdruck gebracht. Das halten wir nicht für
einen Zufall. Unter den Gründervätern des heutigen Staates Israel
lebte die Überzeugung, dass die Leiden eines einzigen arabischen
Kindes ihre Bewegung Lügen strafen würde.
- Zu den größten Verbrechen der Menschengeschichte gehören
"Antisemitismus" bzw. "Antijudaismus" in Gesinnung und Tat. Für dieses
Verbrechen, das in einem millionenfachen Massenmord mündete, trägt die
sogenannte "christliche Kulturwelt" eine weit zurückreichende
Verantwortung. Der unbeschreibliche Massenmord an Juden im
faschistischen Deutschland ist eine dunkle Last, ohne die Gründung,
Geschichte und Politik des Staates Israel kaum richtig verstanden
werden können. Wenn Überlebende des Holocaust und Nachfahren der
Holocaust-Opfer von "Sicherheit" reden, dann meinen sie keine leicht
dahergesagte Stärke-Floskel.
- Mittelbar ist dieser geschichtliche Hintergrund auch für die
Leiden des palästinensischen Volkes mitverantwortlich. Ganze
palästinensische Generationen leiden bis heute unter Fluchtschicksal,
Verfolgung, willkürlicher Militärherrschaft, kollektiver Demütigung
und Missachtung. Der palästinensische Befreiungskampf ist auf dem
Boden von Ungerechtigkeit und Unterdrückung gewachsen. Im
jahrzehntenlangen Zirkel von Gewalt und Gegengewalt haben sich Hass
und Feindseligkeit im Nahen Osten in den Herzen von Menschen tief
eingenistet. Eine Versöhnung zwischen Palästinensern und Israelis
scheint uns nur vorstellbar, wenn Erinnerung und das gegenseitige
Eingestehen von Schuld möglich werden.
- Wir können nicht ignorieren, dass die berechtigte Kritik an der
politischen Führung des Staates Israel aktuell einhergeht mit der
Gefahr neuer antisemitischer bzw. antijudaistischer Parolen und
Gewalttaten in Europa. Erklärte Antisemiten finden einen willkommenen
Anlass, ihrer abscheulichen Gesinnung Ausdruck zu verleihen. Das
giftige Erbe des Antisemitismus schlummert als unbewusste Haltung
vielleicht in mehr europäischen Menschen, als wir ahnen. Dieses Gift
kann sich aktuell auch auf dem Weg politischer Stellungnahmen Bahn
verschaffen. Als christliches Friedensnetz distanzieren wir uns
prinzipiell von jeglichem Antisemitismus, wie verdeckt oder offen er
sich auch immer ausdrücken mag. Wir sehen uns damit in einer
selbstverständlichen Übereinstimmung mit der gesamten
Friedensbewegung.
- Gleichzeitig distanzieren wir uns von jeglicher Sympathie für
vergangene oder zukünftige Selbstmordattentate, denen israelische
Männer, Frauen oder Kinder und irregeleitete Palästinenser zum Opfer
fallen. Terrorakte mit unschuldigen Opfern können in unseren Augen
kein legitimes Mittel eines palästinensischen Befreiungskampfes
sein. Mord bleibt Mord, und Opfer bleiben Opfer. Daran können auch
verstehbare Hintergrundmotive, eine "gerechte Sache" oder die Ohnmacht
von Befreiungskämpfern angesichts einer gewaltigen militärischen
Übermacht nichts ändern.
- Die menschenverachtende Politik des derzeitigen israelischen
Regierungschefs Ariel Sharon hat ihre völlige Unfähigkeit zur
Beförderung des Friedens im Nahen Osten endgültig offenbart. Sie hat
den Terror - u.a. durch mutwillige Provokationen - weiter
angestachelt, Menschenrechte vor den Augen aller Welt durch
staatlichen Terror missachtet und Vorgaben der Internationalen
Staatengemeinschaft beharrlich ignoriert. Aktuell hat sie dem Frieden
offen den Krieg erklärt. Am 9.1.2002 warnte die frühere
Erziehungsministerin Shulamit Aloni davor, die verbrecherische Politik
Sharons durch den "Antisemitismus-Vorwurf" ständig gegen Kritik zu
immunisieren. (www.gush-shalom.org). Andere Stimmen in Israel möchten
Sharon vor dem Internationalen Gerichtshof für Kriegsverbrecher sehen,
dessen Statuten Israel und die USA noch nicht ratifiziert haben
(vgl. ebd.). Unsere Kritik steht in Solidarität mit der israelischen
Friedensbewegung, in der sich das kostbarste Erbe des israelischen
Volkes und der ganzen Menschenfamilie ausdrückt.
- Wir halten es für unabdingbar, die aktuelle weltpolitische Folie
zu benennen, vor der sich die Militärpolitik der israelischen
Regierung vollzieht. Hier liegen "Vorbilder" offen
zutage. Terrorbekämpfung und mythologische Feindbildpropaganda gegen
"das Böse" dienen seit einem halben Jahr forciert zur Begründung
westlicher Kriegspolitik und westlicher Kriegsankündigungen. Die
Gefährdung des Weltfriedens durch neue Gewaltkreisläufe und
Eskalationsrisiken wird verharmlost. Die Weltmacht USA zeigt keine
Neigung, ihre Militärpolitik unter die Oberhoheit der Internationalen
Staatengemeinschaft zu stellen. Menschen- und Bürgerrechte,
Errungenschaften der Völkergemeinschaft wie die Genfer Konvention,
internationale Abkommen über Nuklearwaffen, durchgreifende Maßnahmen
auf dem Weg zu einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung, all das wird
Schritt für Schritt zur Disposition gestellt. Gleichzeitig sind die
Freiheit der Medien und das Recht auf umfassende Information ernsthaft
gefährdet. Tausende von zivilen Todesopfern im Rahmen der sogenannten
Terrorbekämpfung werden uns nicht gezeigt und zynisch zu "
Kolateralschäden" erklärt. Die aktuelle Politik der israelischen
Regierung ist auch auf diesem Hintergrund einer "neuen Vorbildmoral"
innerhalb der westlichen Welt zu sehen. Wir können nicht einsehen,
dass Politiker, die dagegen ihre Stimme nicht erheben, nun das Recht
haben sollten, sich lautstark und heuchlerisch bezogen auf den
Nahost-Konflikt als Kriegsgegner zu profilieren. Für Frieden,
Friedenssicherung und globales Menschrecht kann es nur ein Maß geben.
(Düsseldorf, 6. April 2002)
Vorgelegt vom Sprecherteam des "Ökumenischen Friedensnetzes
Düsseldorfer Christinnen & Christen" Kontakt: c./o. P. Bürger,
Kiefernstr. 33, 40233 Düsseldorf EMail: post 'at'
oekumenisches-friedensnetz 'dot' de
Ostermarsch-Samstag Düsseldorf, 30.2.2002
Redebeitrag auf dem Burgplatz (Friedensfest)
von Peter Bürger
(Mitglied im Sprecherteam des
Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen & Christen)
Liebe Freundinnen und Freunde,
unsere Empörung über die Heuchelei und die Verbrechen der aktuell
kriegsführenden Staaten ist in der Menschengeschichte nicht so jung,
wie wir vielleicht meinen.
Schon vor mehr als 1700 Jahren meinte Bischof Cyprian von Kathargo (+
258): "Die Erde ist voller Blutvergießen. Mordet der Einzelne, nennt
man es Verbrechen. Geschieht das Morden auf staatlichen Befehl, so
nennt man es Tapferkeit. Nicht Unschuld sichert diesem Verbrechen
Straflosigkeit, sondern das unvorstellbare Ausmaß der Grausamkeit."
Ich möchte in meinem Beitrag nicht die militärischen Verbrechen im
Nahen Osten und die Lügen der westlichen Supermächte zum x-ten Mal
aufzählen. Was uns seit Monaten serviert wird auf der Weltbühne, das
bereitet vielen von uns - auch mir - eine Dauerübelkeit. Ich möchte
mitten in diesem Leiden heute mit einigen Thesen fragen, was uns als
Friedensbewegung leben lässt und was uns vielleicht weiterbringt.
Uns helfen keine Institutionen, keine Parteien und auch keine
Angsthysterie in der Bevölkerung Wer heute noch die Illusion hegt, wir
könnten uns auf Parteien oder mächtige Institutionen verlassen, dem
ist nicht mehr zu helfen. Die Moral in unserem Parlament ist gegen
Abgeordneten-Diäten nahezu restlos ausverkauft. In den Parteien ist
Anstand offenkundig noch weniger zuhause. Die Gewerkschaften sind lahm
geworden. Der Papst landet mit seiner klaren pazifistischen Botschaft
bei den deutschen Kirchenleitungen kaum eine Schnitte. Und anders als
in den 80er Jahren haben die Massen auch keine Angst mehr, wir wären
hier unmittelbar betroffen. Vielleicht könnten wir der Bevölkerung
vermitteln, dass etwa die neuen Nuklearstrategien aus dem Pentagon
auch unseren "Frieden" hier bedrohen. Aber mit solchen Motiven hätten
wir noch keine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient. Wir leben
nicht aus Massenhysterie und kurzlebigen 68er-Meinungen, sondern aus
inneren Überzeugungen und Haltungen.
Unsere größte Stärke ist unsere Vision vom Menschen 2500 Jahre nach
Buddha und 2000 Jahre nach Jesus zeigen uns Politiker wie Präsident
G. W. Bush heute die primitivste Kulturstufe der Menschheit. Eine
egoistische Gruppenmoral aus der Steinzeit leitet sie. Sie
durchschauen nicht einmal, was jeder halbwegs intelligente Mensch
heute durchschauen könnte, den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt.
Ein anderes Beispiel: Als "Macher" beseitigt unser Bundeskanzler mit
viel Druckausübung und schlechten Manieren die in der Verfassung vor
allem für Gewissensfragen gewünschte Unabhängigkeit der
Parlamentarier. Das verdient als Note für Friedenskompetenz eine
"Sechs". Im Supermarkt nebenan bedient eine Verkäuferin bis zum Abend
viele hundert Kunden - darunter sehr lästige oder gar bösartige - und
behält dabei geduldig ihren guten Stil. Das verdient als Friedens-Note
eine "Eins". Unsere Vision von Stärke ist eben ganz anders als die der
offiziellen Ideologie. Das sollten wir bei jeder Gelegenheit
vermitteln. Wir haben andere Vorbilder! Vom Frieden versteht die
genannte "kleine" Verkäuferin mehr als unser "große" Bundeskanzler.
Wir sollten lernen, vom gehetzten Aktionismus Abschied zu nehmen Die
Ereignisse überrollen sich im Moment. Wir jagen ihnen gehetzt nach,
weil wir eben nicht die Gleichgültigen sind. "Es drängt uns!" Ständig
reagieren wir auf etwas. Eine Resolution löst die andere ab, jeder
Aktion folgt schon die nächste. Das halten wir nicht durch. (Viele von
uns sind ohnehin schon beruflich oder privat sozial sehr engagiert.)
Auf diesem Weg werden wir ungenießbare Aktivisten, eine gestresste
Bewegung in ständiger Eile, ja ein Spiegelbild der gegenwärtigen
Gesellschaft. Als Ertrag für eine solche Friedensarbeit werden wir nur
den Kollaps und schwere Depressionen ernten. Wir brauchen
Arbeitsteilung. Wir haben Leute, die uns angesichts der
Informationsflut auch der kritischen Medien Orientierungen
erarbeiten. Und es ist gut, dass einige sich aus dem gehetzten
Geschäft der Tagesereignisse weitgehend heraushalten. Eine wichtige
Notwendigkeit sehe ich darin, dass wir uns die Zeit nehmen, in
persönlichen Begegnungen Menschen, Persönlichkeiten und nicht einfach
Mitläufer zu gewinnen. Die mobilisierte Menge kommt und
geht. Friedensarbeit machen nur "Einzelne". Und: Ohne Herzlichkeit und
Freundschaften werden wir keine neuen Energien bekommen. Die
Jugendlichen, die Alten, die Künstler, die Kreativen und auch die
klugen Köpfe werden nur zu uns kommen, wenn sie sich bei uns wohl
fühlen.
Wir sind nicht nur Protestbewegung, sondern wir sind Anwalt des
Einzelnen und der Demokratie Das Fernsehen zeigt uns Tag für Tag die
größten Abscheulichkeiten. Aber was man uns nicht zeigt in unseren
Medien, das sind die Leichen, die westliche Massenmordwaffen zu
verantworten haben. Und diese Leichen werden wir auch zukünftig nicht
sehen. Diese Dauerzensur nimmt dem Einzelnen etwas sehr Kostbares,
nämlich die Möglichkeit, sein natürliches menschliches Mitgefühl ins
Spiel zu bringen. Wir sind eine Bewegung gegen den manipulierten,
gefühllosen und dumm gemachten Massenmenschen. Mit einem solchen
"Image" können wir Menschen von den Rattenfängern fernhalten, etwa
sensible Jugendlichen, die ihre eigene Mitte und einen aufrechten Gang
suchen. Heute sehen wir, wie die selbsternannten "Verteidiger der
Freiheit" die Menschrechtsstandards der Völkergemeinschaft und die
eigenen Werte einer rechtstaatlichen Demokratie Stück für Stück
preisgeben. Die Ethik der Verkünder von Todesstrafen will kollektive
Geltung erlangen. Die hysterische Paranoia nimmt in unserer
Gesellschaft so groteske Züge an, dass das Kopftuch einer Lehrerin
bereits zu einer Art Staatsbedrohung anwächst. In einem solchen Klima
beanspruchen wir die Werte, die angeblich verteidigt werden:
Demokratie, Menschenrechte, rechtstaatliche Justiz, Religions- und
Meinungsfreiheit, Individualität versus Gleichschaltung.
Wir sind eine Bewegung für weltweite Gerechtigkeit
Die Botschaft vom Weltgipfel der Religionen in Assisi lautet: "Kein
Frieden ohne Gerechtigkeit!" Diese Überzeugung der ganzen
Friedensbewegung rückt heute in den Vordergrund. Wir leben in einer
gespaltenen Welt mit ökonomischen Interessen im Großmaßstab. Die
Drahtzieher dieser Interessen gehen rücksichtslos über Leichen. Terror
und Konfliktherde werden auf diese Weise angestachelt. Die
Rüstungshaushalte blähen sich ins Unvorstellbare auf, und bei der
kosmetischen Entwicklungshilfe wird gleichzeitig über lächerliche
Prozentzahlen diskutiert. Die weltweite Bewegung dagegen, eine
Bewegung für Wasser, Nahrung und Grundversorgung für jeden Menschen,
ist viel größer als die engere Friedensbewegung. Wir gehören dazu.
Wir sollten uns vor bitterem Prophetentum und Selbstmitleid hüten Auf
längere Sicht hin wird die Friedensbewegung kaum eine
gesellschaftliche Mehrheit bilden. Wenn wir als Minderheit nicht
lernen, mit unserer Ohnmacht gut umzugehen, dann werden wir
unversehens wie die Politiker, die wir kritisieren. Bei
Ohnmachtsgefühlen reagieren diese ja sofort mit den schwersten
Geschützen. So verdecken sie ihre Ohnmacht und gaukeln der Menge
Stärke vor. Im Gegensatz zur grenzenlosen Selbstgerechtigkeit der
neuen Kreuzritter halten wir uns - hoffentlich - nicht für tadellose
Heilige. Der Wahn der "Guten" ist gefährlich; das sehen wir aktuell in
Washington. Wir sind einfach Menschen, Menschen guten Willens. Als
solche betrachten wir die Fähigkeit zur Selbstkritik überall als
Grundvoraussetzung von Frieden. Ich finde es wichtig, dass wir das
sagen. Auch wenn wir die verbrecherische "neue Moral" der westlichen
Staaten beim Namen nennen, so tragen wir doch nicht den Heiligenschein
einer auserwählten Elite. Wir sind Menschen, das ist sympathisch. Sehr
schnell könnten wir durch unsere berechtigte Empörung zu bitteren
Moralisten werden, zu laut brüllenden Rednern, unduldsamen Nachbarn
oder zu hilflosen Rufern in der Wüste, die sich schließlich in
Selbstmitleid ergehen. Dann werden wir auf jeden Fall unsympathisch
sein.
Wir müssen die Feinde des Lebens benennen, ohne selbst platte
Feindbilder zu kultivieren Wie für jede Gruppe ist die größte Gefahr
für uns, dass wir nach dem Vorbild von G.W. Bush primitivste
Schwarz/Weiß- bzw. Gut/Böse-Muster in Hollywood-Manier aufstellen. Und
dann leben auch wir als Gruppe aus Feindbildern, aus der Abgrenzung
von den "bösen Anderen" - und nicht aus reifen Werten und menschlichen
Visionen. Unsere Empörung muss bleiben. Doch wir sollten Brücken
bauen, wo es nur geht. So zeigen wir Friedenskompetenz. Schon lange
solidarisieren wir uns mit der Friedensbewegung in den USA oder in
Israel. Wir sollten die wunderbare "Bill Of Rights", die amerikanische
Deklaration der Menschrechte, bewundern und zugleich fordern, dass
dieses Manifest der Zivilisation für jeden Menschen auf dem Planeten
gilt, eben in Afghanistan, Somalia, im Irak oder wo auch
immer. Amerikanische Kulturschaffende haben über Jahrzehnte die
schmerzlichen Erfahrungen der zahlreichen USA-Militärschläge in
großartigen Anti-Kriegs-Filmen verarbeiten. Diese Werke sollten wir
als Friedensbewegung bei uns überall empfehlen. Wir planen hier in
Düsseldorf ein entsprechendes Filmfestival. Ein anderes mögliches
Feindbild: Gedrillte Soldaten morden massenhaft auf staatlichen Befehl
hin. Doch sie sind als Kanonenfutter gleichzeitig auch Opfer von
Politikern in sauberen Anzügen. Natürlich sind wir als
Friedensbewegung keine Soldatenfeinde, sondern der zuverlässigste
Anwalt von Menschen, deren Leben in "Kriegsabenteuern" gefährdet ist.
Die Friedensbewegung muss selbst schon ein Friedensmodell sein
Friedensbewegung ist immer politisch. Politik ist bei uns aber
infiziert von Geltungssucht und Konkurrenz, von Nicht-zuhören-können
und von Bestechlichkeit. Es ist sehr gut, dass in der Friedensbewegung
keine Großspenden fließen und keine Großgehälter bezahlt werden. So
können wir nämlich eher ein Gegenmodell entwickeln, in dem keine
Polit-Aktivisten den großen Politfunktionären nacheifern und ihr Ego
aufputzen. Unsere Schwäche (und auch unsere "Erfolglosigkeit") ist da
unsere mögliche Stärke. Und wer schließlich nur strategische Bündnisse
knüpft, ohne echten Respekt vor anderen, der hat vom Frieden noch
nichts kapiert. In Düsseldorf erlebe ich, wie Friedensbewegte aus
unterschiedlichsten Gruppen und mit unterschiedlichster Herkunft
Freude an einem neuen Stil bekommen: Wir propagieren nicht nur eine
Vielfalt der Kulturen, sondern wir leben selbst ein Miteinander von
unterschiedlichsten Menschen. Wir üben uns darin, auch von den anderen
her zu denken und sie zu verstehen. Wir wollen möglichst viel mit den
anderen machen. Wir verfallen nicht dem Wahn, dass jeder, der etwas
anderes als wir im Auge hat, deshalb schon gegen uns ist. Und wir
lernen, dass Konkurrenz - anders als man uns weismachen will -
überhaupt keinen Spaß macht. Eine solche Friedensbewegung könnte
glaubwürdig sein. Wir brauchen eine neue Sprache, einen neuen Stil
und ein neues Symbol Die alte "anti-imperalistische
Intellektuellensprache" will keiner mehr hören. Rap und Graffiti für
den Frieden sind im Kommen. Die Politiker reden abstrakt und gefühllos
und verschweigen ihre Opfer, die aus Fleisch und Blut sind. So dürfen
wir nicht reden. Unser wunderbares Symbol, die Friedenstaube, braucht
im Zeitalter der Taubenfeindlichkeit dringend ein neues
Ausgehkleid. Wir brauchen ein Bild, das nicht nur die Nostalgiker aus
früheren Jahrzehnten anspricht. Wir brauchen eine Taube, die uns die
Erdkugel zeigt und auch die ganze Menschenfamilie auf der Erde. Wir
brauchen eine globale "weiße Fahne", die die alten Götzenbilder, den
lästerlichen Kult der Nationalflaggen ablöst. Ja, wir brauchen ganz
dringend ein neues Symbol. Und wenn wir in der gleichgültigen
Spaßgesellschaft gehört werden wollen, dann jedenfalls nicht als
griesgrämige Spaßverderber. Im Gegenteil, wir müssen einen Spaß am
Leben zeigen, der echt ist, einen Spaß, der mit Unabhängigkeit, mit
Menschlichkeit, mit der Freilegung verschütteter Gefühle und mit
ehrlichen Beziehungen zu tun hat. Wir meinen einen Spaß, den es ohne
Mitgefühl und auch ohne Traurigkeit nicht geben kann. Wir meinen Feste
und keine kommerziellen Spektakel-Events. Und wenn ich recht sehe,
sind wir in diesem guten Spaß, mit dem die Friedensbewegung
aufersteht, schon mitten drin.
An alle Friedensfreunde auf dem Ostermarsch in Düsseldorf:
Grüße von einer wachsenden Bewegung von Christen in den USA. Wir
nennen uns selbst "Every Church a Peace Church" ("Jede Kirche eine
Friedens-Kirche"). Wir rufen Christen in unserem Land und in der
ganzen Welt auf, sich die Macht des gewaltfreien Kampfes zu eigen zu
machen, eine Macht, die Jesus verkörperte und die durch Martin Luther
King, Jun. und so viele andere in der Geschichte wirksam gezeigt
geworden ist. Wir glauben, die Kirche könnte die Welt zum Frieden
hinlenken, wenn jede Gemeinde so wie Jesus glauben und lehren
würde. Ja, wir erwarten viel von der Kirche. So zu leben und zu lehren
wie Jesus, das würde von der Kirche Umkehr verlangen. Sie würde
bereuen, die Lehren und das Beispiel Jesu, der seine Feinde liebte, zu
ignorieren und darauf herumgetrampelt zu haben. Jesus gehorchte nicht
dem Staat oder irgendeiner Macht, die ihn aufgefordert hat, jene zu
bekämpfen oder umzubringen, die ihn oder sein Volk bedrohten. Die
Kirche muss sich abwenden von ihrem Kompromiss mit Gewalt und Schwert,
von ihrem unmoralischen Bündnis mit den herrschenden Mächten des
Staates. Wir grüßen alle, die sich in Düsseldorf für den Frieden
versammelt haben, Christen und alle anderen gleichermaßen. Gott lebt
in jedem Menschen. Und alle, die nach Gerechtigkeit streben in der
Kraft der Gewaltlosigkeit, spiegeln das Bildnis Gottes, unabhängig von
ihrer religiösen oder nicht-religiösen Identität. Gott will Frieden
für diese Welt, und Ihr seid Teil jener wachsenden Bewegung, die
Gottes Willen tut - auf der Erde so wie im Himmel. Wachst und seid
erfüllt mit Hoffnung und mit der Erfahrung des neuen Lebens, das
aufersteht aus der dunklen Asche des Todes. Dies ist die Verheißung
von Ostern.
Im Namen des gewaltfreien Jesus, der heute in allen lebt, die ihre
Feinde lieben, so wie er seine Feinde liebte,
John K. Stoner, Coordinator
Every Church A Peace Church
Akron, Pennsylvania, USA
www.ecapc.org
(Übersetzung: Andre G. Stoner)
"A country which has dangled the sword of nuclear holocaust over the
world for half a century and claims that someone else invented
terrorism is a country out of touch with reality." (Ein Land, das für
ein halbes Jahrhundert das Schwert des atomaren Holocaust über der
Erde geschwungen hat und nun ausruft, dass jemand anderes den
Terrorismus erfindet, ein solches Land hat den Bezug zur Realität
verloren.) John K. Stoner
Englisches Original der Grußadresse
To people of peace gathered on Easter in Duesseldorf:
Greetings from a growing movement of Christians in the United States
who call ourselves "Every Church A Peace Church." We are issuing a
call for all Christians in this country and around the world to
embrace the power that works through nonviolent struggle, as that was
incarnated by Jesus and demonstrated by Martin Luther King, Jr. and so
many others down through history. We believe that the church could
turn the world toward peace if every church lived and taught as Jesus
lived and taught. Yes, we expect very much of the church. To begin to
live and teach as Jesus lived and taught would require the church to
repent for ignoring and trampling upon the teachings and example of
Jesus, who loved his enemies. Jesus did not obey the state or any
other power which urged him to fight and kill those who threatened him
or his people. The church must turn from its compromise with violence
and the sword, from its immoral union with the dominating powers of
the state. We greet all who have gathered for peace in Duesseldorf,
Christian and non-Christian alike. God is alive in every person, and
all who strive for justice with the power of nonviolence are
reflecting the image of God within themselves, regardless of their
religious or non-religious identity. God wills peace for the world,
and you are part of that growing movement which is doing God's will on
earth as it is done in heaven. May your numbers increase, and may you
be filled with the hope and experience of new life arising from the
very ashes of death, which is the promise of Easter.
In the name of the nonviolent Jesus, who is alive today in all who
love their enemies as he loved his enemies,
John K. Stoner, Coordinator
Every Church A Peace Church
Akron, Pennsylvania, USA
www.ecapc.org
Bei der Auftaktkundgebung zum diesjährigen Düsseldorfer Ostermarsch am
Ostersamstag wurde erstmals der von drei Düsseldorfer Friedensgruppen
- Friedensforum, Menschen für den Frieden und Ökumenisches
Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen und Christen - gestiftete
"Düsseldorfer Friedenspreis" verliehen. Preisträgerin ist die
Düsseldorferin Manja Aschmoneit. Mit dem Preis wollen die
Düsseldorfer Friedensgruppen eine Frau ehren, die, wie es in der
Urkunde heißt, "trotz politischer Verfolgung, vieler Misserfolge und
auch persönlicher Demütigungen ... seit Jahrzehnten sich unerschrocken
und beharrlich für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt" hat. Als
junges Mädchen geprägt vom Eindruck der Schrecken und Zerstörungen des
2. Weltkriegs, wirkte Manja Aschmoneit an der Seite ihres Mannes seit
den frühen 50er Jahren gegen die Wiederaufrüstung, dann die geplante
Atombewaffnung der Bundeswehr. Sie war schon bei den ersten
Ostermärschen mit dabei, hat keinen ausgelassen, und ihren vier
Kindern konnte die heute 70-jährige, wie sie verschmitzt erzählt,
erfolgreich drohen mit: "Wenn ihr nicht brav seid, dürft ihr nicht mit
zum Ostermarsch". Seit dem Jugoslawienkrieg ist Manja Aschmoneit, die,
ebenfalls ehrenamtlich, im Arbeitslosenzentrum mitarbeitet, regelmäßig
bei den jeden Dienstag stattfindenden Infoständen des Friedensforums
am Schadowplatz anzutreffen und aktive Teilnehmerin an den
Plenarversammlungen dieser Gruppe. Auch bei den Montagsdemonstrationen
der "Menschen für den Frieden", die seit dem Beginn des
Afghanistankrieges stattfinden, ist Manja Aschmoneit zu finden.
Düsseldorf, am 30. März 2002
Düsseldorfer Friedensforum, Menschen für den Frieden Düsseldorf,
Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen
Zahlreiche Fotos zum Düsseldorfer Ostermarsch 2002 bieten die
folgenden Seiten der Arbeiterfotografie Köln. Es sind auch zahlreiche
TeilnehmerInnen aus dem Kreis unseres Ökumenischen Friedensnetzes zu
sehen:
Bild
1
Bild 2
Texte und Berichte zum Ostermarsch 2002 findet Ihr auch unter:
hier
"Warum ist das, was in der Innenpolitik eine Katastrophe, ein
Verbrechen ist, in der Außenpolitik eine Heldentat? Warum darf man,
sobald man die Grenzen seines eigenen Landes überschreitet, Dinge tun,
die zu Hause kriminell sind? Sind 5000 unschuldig getötete afghanische
Zivilpersonen weniger wert als 3000 unschuldig getötete Amerikaner?"
So fragte am 11.2. der ehemalige entwicklungshilfepolitische Sprecher
der CDU/CSU, Jürgen Todenhöfer, in der "Süddeutschen". Immerhin, eine
unverdächtige Stimme ist es, beileibe keine pazifistische, die da die
Rechtfertigung verweigert für Streubomben, massenhaftes Zerfetzen von
Menschenleibern, für einen Krieg, der nur für die da oben - in der
Luft - sauber ist.
Doch gibt es überhaupt vor Gott "gerechte Kriege"? Der
EKD-Ratvorsitzende M. Kock hat dies jüngst im Licht des Evangeliums
verneint. Jesu Bergpredigt und Paulus rufen die Welt dazu auf, das
Böse durch das Gute zu überwinden. "Gottessöhne" (Mt 5), so wörtlich
Jesus, sind die Friedensstifter. Der als naiver Pazifist belächelte
Papst meint, das müsse man ernst nehmen: "Das Dunkel lässt sich nicht
durch Waffen erleuchten. Das Dunkel entfernt sich nur, indem man Licht
macht." Doch da versagen ihm alle, die sonst die unseligsten Dekrete
seines Pontifikates stets kritiklos nachbeten, die Gefolgschaft.
Nicht immer wurde die Gewaltfreiheit der Botschaft Jesu in der
Kirchengeschichte so relativistisch betrachtet wie in der
nachkonstantinischen Ära. Die Theologen der Alten Kirche verkünden da
zuweilen eine merkwürdige christliche Ethik: "Wie könnte der Christ
Krieg führen, wie könnte er selbst in Friedenszeiten Soldat werden,
ohne das Schwert zu tragen, das der Herr verboten hat?" (Tertullian, +
nach 220) "Wenn ein Taufbewerber oder Gläubiger Soldat werden will,
dann weise man ihn zurück, denn er hat Gott verachtet." (Römische
Kirchenordnung des Hippolyt, + 235) "Wir Christen ziehen das Schwert
gegen keine Nation, wir lernen keine Kriegskunst mehr, denn wir sind
Söhne des Friedens geworden durch Christus." (Origenes, + 254) "Es ist
den Christen nicht erlaubt zu töten..." - "Der Erdkreis ist bedeckt
mit Menschenblut. Wenn ein einzelner Mensch einen Mord begeht, so gilt
dies als Verbrechen. Aber man nennt es Tapferkeit, wenn der Staat den
Befehl dazu gibt." (Cyprian, + 258, Briefe I.6)
Ganz anders dachte später der "Vater der Rechtgläubigkeit",
Athanasius. Der große Augustinus war es, der schließlich in der
Tradition des römischen Imperiums den "gerechten Krieg" für möglich
erklärte. Doch im Gefolge Jesu hatte Augustin in seinem Werk über den
"Gottesstaat" keine gute Meinung von den Machthabern der Erde: "Die
Reiche dieser Welt sind große Räuberbanden, die Mord und Erpressung
nur deshalb nicht unter Strafe stellen, weil es infolge der Größe
ihrer Untaten gar nicht mehr möglich ist." Auch wollte Augustinus
Plündern, Morden, den Tod von Unbeteiligten, Unschuldigen und von
Frauen und Kindern in jedem Fall (!) ausgeschlossen wissen. Aufgrund
schon dieser Kriterien hielt der ultrakonservative Kardinal Ottaviani
es 1942 für undenkbar, dass es im 20. Jh. mit seinen abscheulichen
Massenvernichtungswaffen einen "gerechten" Krieg geben könne, der
dieser Lehre entspricht. (Drewermann: Krieg ist Krankheit, Freiburg
2002)
In der ältesten Kirche gab es ganz praktisch die Exkommunikation von
Kriegsführenden. Heute sind es eher die pazifistischen Christinnen und
Christen, die als "blauäugige Heilspropheten" in den Kirchen abseits
stehen. Doch sie stellen eine unverzichtbare Anfrage an die gesamte
Ökumene: Ist es nicht aktueller, dringlicher und realpolitisch
einleuchtender denn je, heute Jesus wirklich zu folgen - in seiner
Einsicht, dass Gewalt und Gegengewalt unendlich eskalieren, wenn nicht
etwas ganz Neues eintritt? Das zumindest, so meine ich, wäre auch
angesichts des nicht-staatlichen Terrorismus angesagt: Fragen über
Fragen zu stellen und dabei nicht nur im Fernsehprogramm zu
recherchieren. Wer führt Krieg und mit wem verbündet er sich? Welche
Muster der ewig alten Kriegsrhetorik werden wieder etabliert? Welche
offiziellen, nachlesbaren Militärdoktrinen stehen im Hintergrund?
Welche geopolitischen und ökonomischen Interessen lassen sich anhand
von Fakten aufspüren? Wie stichhaltig sind die propagierten Motive,
seien sie humanitär oder Überschriften einer "erfolgreichen"
Terrorbekämpfung? Was passiert an den Kriegsschauplätzen wirklich? Wer
nennt die Zahl der getöteten Zivilopfer? Wie hoch sind die weltweiten
Rüstungsausgaben und in welcher Relation stehen dazu die
Entwicklungshilfehaushalte?
Christlicher Pazifismus hin oder her, da mag man theoretisch endlos
streiten. Doch eines müsste unstrittig sein: Die Vertreter der
Religion müssen diese Fragen zur Stunde gründlicher und kritischer
stellen als es die parlamentarischen Amtsinhaber tun.
Peter Bürger, Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen &
Christen
(Christen heute April 2002)
Predigt zum Jahrestag der Terroranschläge in den U.S.A.
Ökumenischer Gottesdienst - Katholische Pfarrgemeinden St. Gertrud &
St. Augustinus, Evangelische Kirchengemeinde Eller & Ökumenisches
Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen in der Schlosskirche
Eller am 11. September 2002
Liebe Schwestern und Brüder,
das Christentum musste in den Augen der Weltöffentlichkeit am
11. September 2001 abdanken. Inmitten der Leichenteile und Blutlachen
des World Trade Centers haben Menschen zu Jesus gebetet. Aber
Weltpolitik bitteschön kann man mit Jesus nicht machen. Gott hat diese
Welt mit ihren Hässlichkeiten und Abgründen nicht spürbar mit sich
versöhnt. Jesus ist auch nicht der Erstgeborene einer neuen
Menschheit, die mit dem Steinzeitmodell Gewalt aufhört. Eine
Weltzivilisation der Liebe, von so etwas kann höchstens ein
alterschwacher Papst sprechen. Die nackte Wahrheit lautete: Der
Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Jetzt dürfen wir nicht zimperlich
sein. Wir müssen das Böse ausmerzen mit Streubomben und mit den
Mörderbanden der Nordallianz-Warlords. Gegen die Achse der Oberteufel
sollte man vielleicht auch bald Miniatombomben einsetzen. Dass man mit
Christentum keine Politik machen kann, das haben doch selbst
prominente Christen nach dem 11. September zugegeben.
Müssen wir heute in eine solche depressive Vergeblichkeit fallen, vor
der uns das "Vater unser" doch bewahren soll? Müssten wir dann nicht
all unsere Kirchen schließen? Ja, wir hätten sie dann schon seit
siebzehnhundert Jahren schließen müssen, spätestens aber nach zwei
Weltkriegen der christlichen Zivilisation, spätesten nach Auschwitz
und spätestens nach zwei Atombomben, die 340.000 Japanern das Leben
gekostet haben... Der 11. September war für viele tausend Menschen in
New York ein blutiger Weltuntergang, aber er bedeutet im Licht der
Geschichte nicht etwas völlig neue unter Sonne. Hier in der Kirche
müssen wir deshalb anders sprechen, als wir es in den Tagesnachrichten
hören. Jesus hat uns nie erzählt, diese Weltordnung würde nicht von
einer großen Geisteskrankheit regiert. Er hat uns aber genauso wenig
erzählt: Fügt euch demütig und ohnmächtig in diese kranke
Welt. Begnügt euch damit, in modernen Werbeagenturen Plakate zu
erstellen, auf denen steht: "Seid nett zueinander!" Werdet eine
ängstliche Sekte mit harmlosen Parolen. Unsere Leidenschaft für das
Evangelium hat nicht nur die Liebe, sondern auch die Vernunft auf
ihrer Seite. Mit zwei Trostbotschaften zu zwei Weltideologien möchte
ich uns alle zu einem selbstbewussteren Christentum verführen.
Die erste Ideologie lautet:
Der Mensch ist von Natur aus böse, ein Wolf für den anderen Menschen
Das hört sich scheinbar ganz christlich an. So steht es doch auch im
1. Buch Moses: "Böse ist das Trachten des Menschen, immer nur böse,
von Jugend an." Es erinnert an Paulus, Augustinus, Luther oder an die
katholische Erbsündenlehre. Das hört sich aber auch nur scheinbar
christlich an! Denn in unserer Tradition wird der zerrissene,
heilungsbedürftige Mensch als böse erkannt. Doch das ist nicht das
letzte Wort:
Jesus war wie wir Mensch, sagt die Kirche seit altersher. Er hatte
unsere Menschenangst. Aber er hörte bei seiner Jordantaufe eine
Stimme: "Du bist geliebt, immer schon geliebt!" Jesus hat viele
Menschen in Galiläa und anderswo dahin geführt, diese innere Stimme zu
hören. Die frühen Christen sprachen so von der Taufe, dass sie über
einen Menschen sagten: Er hat das Ja-Wort gehört. Deshalb kann er
lieben. Deshalb kann er Frieden verbreiten. Das ist keine Leistung,
das ist ihm geschenkt worden. Das ist kein religiöser Hokuspokus. Das
geschieht mit wirklichen, leibhaftigen Menschen!
In dieser Hinsicht stimmt es: Die einzige Tür, durch die Gott sein
Ja-Wort sprechen kann, ist das menschliche Herz. Dieses eine Ja-Wort
erlöst noch nicht die ganze Staatenwelt. Es macht durch eine innere
Revolution nur einzelne Menschen friedens- und liebesfähiger. Martin
Luther sagt: Gottes Liebe macht den Menschen schön.
Jeder von Euch kennt Menschen, die vor Gott schön geworden sind. Unter
den Helfenden in den Flammen und Trümmern des 11. Septembers gab es
sie. Die Verkäuferin im Supermarkt meiner Straße gehört zu den
Schönen. In Baltimore bin ich einer Frau begegnet, die diese Schönheit
in sich trug. Und vor Moscheen in Marokko haben ich Menschen kennen
gelernt, die genauso wunderschön waren. Auch sie hatten das Ja-Wort
gehört, das jeder von uns zum Leben und zum Lieben braucht.
Die zweite Ideologie lautet nun: Ein einzelnen Mensch kann sich vielleicht ändern, aber das Weltsystem der Völker und Staaten wird immer gewalttätig funktionieren...
Liebe Schwestern und Brüder, dieses gruppenegoistische Gewaltsystem
aus der Steinzeit funktioniert schon lange nicht mehr. Es hat sich im
letzten Jahrhundert so endgültig wie es nur eben geht als veraltet
erwiesen.
Weil man trotz der wunderbaren Einsicht der Vereinten Nationen von
1945/1948 so weiter gemacht hat wie eh und je, haben wir heute
Terrornetze. Noch im Vorfeld des 11. Septembers wurde nicht Dialog,
sondern ein "Kampf der Kulturen" propagiert. Die verachteten Armen
dieser Erde klatschen nun den Terroranführern, die sich aus
Großkonzernen finanzieren, gruseligen Beifall. "Endlich einer, der
unseren Stolz wiederherstellt!"
Dieses Gewaltsystem hat in Afghanistan außer mehreren tausend
Streubombenopfern und nachgewiesenen Massakern keineswegs irgend eine
bessere Ordnung hergestellt, wie es uns die Propaganda lange
weismachen wollte. Dieses Steinzeitmodell wird im Irak eine
Gewaltwelle losbrechen lassen, die vom Nahen Osten bis hin nach
Pakistan vielleicht keiner mehr kontrollieren kann.
Der Bischof von Rom mag, anders als meine Konfession meint, in vielem
irren. Doch er hat gegen die Regierungen dieser Welt unfehlbar eine
für alle Christen unverzichtbare Wahrheit zur Geltung gebracht: "Mit
Waffen kann man das Dunkel nicht vertreiben. Man muss ein Licht
anzünden!" Und er hat gezeigt, wie es auch geht. Er hat die Religionen
und Kulturen der Erde zu einem Friedensfest eingeladen.
Stellt euch vor, man hätte nach dem 11. September auch in der
Weltpolitik so reagiert. Man hätte Milliarden in die Begegnung der
Kulturen, der Religionen und der Weltjugend investiert. Man hätte bei
uns die Opfer von New York gezeigt und ebenso die uranvergifteten
Säuglinge in Bagdad oder die von westlichen Bomben zerfetzten
Menschenleiber. Man hätte den Armen der Welt ein anderes Signal
gegeben als Bin Laden oder wer auch immer. Man hätte beispielsweise
den Bau eines ganz anderen Welthandelszentrums begonnen, eins das
nicht babylonisch, profitträchtig in die Höhe wächst, sondern eins,
dass mit wirtschaftlicher Intelligenz in die Breite einer gerechteren,
solidarischen Völkerwelt wächst. Man hätte beispielsweise nach dem
Vorbild der frühen Christen alle Nationalflaggen entgöttert und eine
Fahne der ganze Erde, der ganzen Menschheit und aller Lebewesen über
den gesamten Globus wandern lassen. Man hätte kurzum, das
zerstörerische Böse mit dem konstruktiv Guten beantwortet.
Wir müssen als Christen an der Vision festhalten, dass auch die
Zivilisation mit einem besseren Geist getauft werden kann. Nach dem
11. September dürfen Weltgeschichte und Börsengeschäfte nicht einfach
- nach ein paar Trauertagen - weitergehen wie eh und je. Wieder einmal
hat die ganze Menschheit eine Niederlage erlitten. Wir alle sind
getroffen. Heilen können es nicht mehr die antiquierte Gewaltlogik,
die Macht- und Wirtschaftsimperien und schon gar nicht die
Rüstungsindustrie.
In der Geschichte gibt es - wenngleich nicht viele - Beispiele für
das, was Not tut. Wer immer Angst in der Zivilisation und in der
Völkerwelt verringert, wer immer kollektive Demütigungen und
Benachteiligungen verkleinert, der trägt dazu bei, dass auch die ganze
Menschenwelt schöner, weniger gewalttätig wird. Und das eben ist nicht
nur eine Frage der Liebe, sondern auch der Vernunft. Es ist nicht nur
eine Frage der Innerlichkeit des Einzelnen, sondern auch des
Überlebens der Gattung.
Zumindest das müssen wir Christen mit großem Selbstbewusstsein sagen:
Es gibt nur tödliche Alternativen zu einer Weltzivilisation der
Solidarität. Der Weg steht seit über zweitausend Jahren offen. Es gibt
das Böse und das Kranke. Überwunden werden kann es - so Jesus und
Paulus - nur durch das Gute, durch Liebe und durch eine befreite
Vernunft. AMEN
Peter Bürger (Ökumenisches
Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen)
Ökumenischer Gottesdienst - Katholische Pfarrgemeinden St. Gertrud &
St. Augustinus, Evangelische Kirchengemeinde Eller & Ökumenisches
Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen in der Schlosskirche
Eller am 11. September 2002
Nichts wird mehr so sein wie es war - hieß es vor einem Jahr. In der
Zwischenzeit haben sich bei uns - natürlich - die kleinen Sorgen und
Freuden des Alltags längst wieder in den Vordergrund geschoben. Wir
ärgern uns über die Verspätung eines Zuges, wir freuen uns über vier
Richtige im Lotto, viele von uns sind gut gelaunt ins Flugzeug
gestiegen, das uns sicher in die Ferien geflogen hat.
Dennoch ist sie da - zumindest unterschwellig - die Angst vor neuen
Terroranschlägen. 71 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass
kein westliches Land vor einem neuerlichen Anschlag fanatischer
Islamisten sicher ist.
"Heute haben wir das Böse gesehen". Sagten Augenzeugen der Terrorakte
des 11. September. Das Böse - in Gestalt einer entstaatlichten
privatisierten Gewalt, wie wir sie in dem Ausmaß vorher nicht kannten.
Auch ein Jahr danach stellt sich äußerst drängend die Frage: Wie gehen
wir damit um? Am 12. September 2001 meinte Dagmar Reim in den
Tagesthemen, in dieser Situation solle man das Neue Testament einmal
beiseite lassen und sich an die alte Devise erinnern "Auge um Auge -
Zahn um Zahn". Wie du mir, so ich Dir. Gewalt gegen Gewalt. Immerhin
markiert diese Regel aus dem Alten Testament einen wichtigen
Fortschritt in der Rechtsgeschichte - gegenüber der archaischen Rache,
nach der das Böse maßlos nachgetragen und vergolten wurde. Aber "wie
du mir, so ich Dir", ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss?
Bomben auf Afghanistan und demnächst vielleicht auf den Irak, ist das
ein geeignetes Mittel gegen den islamistischen Terrorismus?
Der Limburger Bischof Franz Kamphaus bezweifelt das, und damit steht
er wahrlich nicht allein. "Auge um Auge", so sagt er, "macht
schließlich alle blind - durch den Hass, und am Ende hat keiner ein
Auge mehr". Die entscheidende Frage ist, wie wir eine
gesellschaftliche Entwicklung anstoßen und unterstützen können, die
nicht immer nur neue Gewalt hervorbringt, sondern dem Frieden dient,
einem Frieden, der langfristig und nachhaltig nur durch Gerechtigkeit
gesichert werden kann.
Die humanitäre Hilfe, die medienwirksam in Afghanistan geleistet wird,
steht in überhaupt keinem Verhältnis zum Aufwand der militärischen
Mittel. Einen übergroßen Teil der Intelligenz investieren wir in immer
perfektere Waffensysteme, statt diese Intelligenz für die Entwicklung
der armen Völker einzusetzen. Die Armen hungern nicht, weil wir zu
viel essen, sondern weil wir zu wenig denken, zu egoistisch unsere
eigene Sicherheit, zu kurzsichtig nur unsere eigenen Interessen im
Blick haben. Franz Kamphaus sagt: "In Sachen ökonomischer
Globalisierung sind wir Riesen, in Sachen globaler Solidarität sind
wir Zwerge."
Mit den eigenen Interessen meint er sehr konkret die Sicherung der
Ölquellen. Und wer wollte das bestreiten, das hierin der eigentliche
Grund, jedenfalls auch ein wesentlicher Grund dafür liegt, dass die
Amerikaner ein so großes Interesse an Afghanistan haben und am Irak.
Ich merke, ich hab's heute mit den katholischen Bischöfen. Robert
Bowman ist auch einer. Er war selber Kampfflieger im Vietnamkrieg und
ist heute Bischof der Vereinigten katholischen Kirche in Melbourne
Beach/Florida. Er schrieb nach dem 11. September im vergangenen Jahr:
"Anstatt unsere Söhne und Töchter um die Welt zu schicken, um Araber
zu töten, damit wir das Öl haben können, das unter dem Sand liegt,
sollten wir sie schicken, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu
setzen, reines Wasser zu liefern und hungernde Kinder zu füttern."
Und vergangene Woche sagte er im amerikanischen Fernsehen:
"Anstatt Saddam Hussein mit Krieg zu drohen, sollten wir den Irakern
helfen, ihre Elektrizitätswerke, ihre Wasseraufbereitungsanlagen und
ihre Krankenhäuser wieder aufzubauen, die wir zerstört haben und deren
Wiederaufbau wir bis heute verhindert haben".
Ja, so ist das: In Sachen ökonomischer Globalisierung, in der
Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen, sind wir Riesen, in
Sachen globaler Solidarität sind wir Zwerge.
Und so lange wir in dieser Sache Zwerge bleiben, wird die Bedrohung
durch den internationalen Terrorismus bleiben. Übrigens: Auch Edmund
Stoiber und Gerhard Schröder sind in dieser Sache Zwerge, genauso wie
die beiden Damen, die am Sonntag das Kanzlerduell-Gespräch geführt
haben. Mit keinem einzigen Wort wurde darüber diskutiert, was unsere
Regierung gegen die Armut und für die Gerechtigkeit in unserer Welt zu
tun gedenkt. Ein Armutszeugnis für unsere Politiker, wenn das in der
gegenwärtigen Weltsituation kein Wahlkampfthema ist.
Die beiden Bischöfe machen noch auf einen zweiten Zusammenhang
aufmerksam, den wir endlich begreifen und politisch-gesellschaftlich
umsetzen müssen, wenn wir die Ursachen des Terrorismus bekämpfen
wollen:
Der amerikanische Bischof nimmt im Blick auf sein eigenes Land kein
Blatt vor den Mund:
"In einem Land nach dem anderen hat unsere Regierung Demokratie
vereitelt, Freiheit unterdrückt und die Bürger an amerikanische
Großkonzerne verkauft (und er zählt u.a. als Beispiele auf: Iran,
Chile, Nicaragua) Deswegen werden wir rund um die Welt gehasst. Mit
einer himmelschreienden Arroganz nehmen wir uns das, was wir
wollen. Dabei ist uns jedes Mittel recht: Heute unterstützen wir
Diktatoren und morgen sägen wir sie wieder ab, wenn's nur unserer
Macht, unserem Einfluss und unseren Interessen dient. Und deswegen
sind wir das Ziel von Terroristen. Wir in Amerika. Oder haben sie
schon einmal von einer norwegischen oder schwedischen Botschaft
gehört, die bombardiert wurde?"
Für unseren Kontext in Europa spricht der Limburger Bischof genauso
klare Worte:
"Der Hass gegen alles Westliche, der im Terrorismus seinen
dramatischen und mörderischen Ausdruck findet, wird nicht nur durch
die wirtschaftlichen, sondern auch durch die politischen und
kulturellen Ungleichgewichte der heutigen Weltsituation
genährt. Gerade in den muslimisch geprägten Ländern haben viele den
Eindruck, ihre Kultur und ihre Traditionen würden bei uns im Westen
nicht ernst genommen, ja sogar verachtet. Wir müssen uns ganz
ernsthaft fragen, welche geschichtlichen und aktuellen Erfahrungen das
Ressentiment in der islamischen Welt gegenüber dem Westen immer wieder
anfachen. Vielleicht gehört es ja zur Pathologie der westlichen
Länder, die Verletzungen und Demütigungen, die sie anderen zufügen,
gar nicht mehr wahrzunehmen".
Schade, dass wir in der Vorbereitung für diesen Gottesdienst nicht
daran gedacht haben, Vertreter der jüdischen Gemeinde und von
muslimischen Gemeinden in Düsseldorf zur Mitwirkung einzuladen. Das
wäre ein gutes Zeichen gewesen.
Noch ein Wort zu Saddam Hussein und den amerikanischen
Kriegsvorbereitungen gegen den Irak: Für mich war es schmerzhaft, in
den vergangenen Jahren von der Position eines absoluten Pazifismus
Abschied nehmen zu müssen. Jede demokratische Regierung hat das Recht
und wohl auch die Pflicht, kriegstreiberischen Diktatoren und
Terroristen mit Waffengewalt das Handwerk zu legen. Aber jeder Schlag
gegen Zivilbevölkerung, gegen unschuldige Menschen, darf um Gottes und
der Menschen willen nicht sein. Gott bewahre uns davor! Um Gottes und
der Menschen willen: Frieden!
Ganz abgesehen davon, dass ein Krieg gegen den Irak ein unglaubliches
Spiel mit dem Feuer wäre: Alle Bemühungen, die gemäßigten arabischen
Staaten in den Kampf gegen den Terrorismus einzubeziehen, ständen auf
dem Spiel. Und was ein Irak-Krieg für Israel bedeuten würde, mag man
sich kaum ausdenken. Wir können und sollten gerne gleich darüber
diskutieren.
Ich frage: Haben wir denn nichts aus der Vergangenheit gelernt? Ich
meine, die Erfahrung zeigt: Wer Gewalt sät, Gewalt durch Bomben oder
andere Waffen, die Massen von Menschen töten, wer solche Gewalt sät,
wird um so mehr Gegengewalt ernten und damit eine Spirale in Gang
setzen, vor der wir, auch wir in Deutschland, Angst haben
müssen. Jesus entschieden davor gewarnt: "Wer zum Schwert greift, wird
durch's Schwert umkommen".
Armut und Hunger, die Arroganz des Westens gegen andere Völker, die
Sprache der Bomben, sie dürfen keine Zukunft haben - um der Menschen
willen und um Gottes willen, von dem es in der Bibel heißt:
"Seine Hilfe ist nahe denen, die ihn ehren und ihm gehorchen. Dann
wird in unserm Land seine Herrlichkeit wohnen. Dann werden Güte und
Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; dann
wird uns Gott Gutes tun und unser Land fruchtbar sein".
Liebe Gemeinde: Vor Gott können und dürfen wir Irrtümer eingestehen
ohne Furcht, das Gesicht zu verlieren, weil wir immer und immer wieder
aus der Vergebung leben. So dürfen wir und wir dürfen ihn bitten, dass
er uns Mut gibt, die Richtung zu wechseln, wenn wir merken, dass wir
auf dem falschen Weg sind. Das gilt ja auch für unser ganz
persönliches Leben. Dazu, dass wir zum Innehalten und zur Umkehr fähig
sind, bewahre uns der Friede Gottes, der höher ist als alles
menschlich Denkbare. Amen.
Pfarrer Dietmar Silbersiepe (ev. Schlosskirchen-Gemeinde Eller)
Für eine Zivilisation der Solidarität und des Friedens
Von P. Bürger (Ökumenischen Friedensnetz
Düsseldorfer Christinnen und Christen / Pax Christi) - Redebeitrag zum
Antikriegstag "Frieden jetzt" - Düsseldorf 2.9.2002,
Burgplatz
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Friedensbewegung hat ein trauriges Jahr zu beklagen. In
Afghanistan hat die so genannte Terrorbekämpfung - mit völkerrechtlich
geächteten Streubomben aus der Luft - Tausende von Zivilisten
ermordet. Das verbrecherische Treiben der nordalliierten
Berufsmörderbanden unter den Augen von US-Soldaten ist erst in kleinen
Ausschnitten bekannt. - Im Nahen Osten sehen wir in endlosen
Vergeltungskreisläufen, wie Frieden niemals zustande kommen wird. - Im
Irak sind in Folge des Embargos über 1 Millionen Menschen seit dem
Golfkrieg förmlich verreckt, ohne dass die Internationale
Staatengemeinschaft auch nur einen Finger gekrümmt hätte. Nun wird es
bald wieder neue Massengräber in Bagdad und im ganzen Irak geben. Eine
US-Regierung, deren Mitglieder nahezu ausnahmslos der
Erdölkonzernlobby angehören, will diesen Krieg um jeden Preis und wird
ihn durchsetzen. Alle Welt weiß, da geht es um durchschaubare
Interessen. Die irakische Erde birgt vielleicht noch mehr Öl als die
Saudi-Arabiens. Noch ist es nicht wirklich glaubhaft, dass in Europa
gegen diese wildgewordene Kriegspolitik wirklich erstmals ein echtes
"Nein!" laut wird. Wie sehr wäre das zu hoffen!
Hier in Düsseldorf sehen wir am Beispiel der von Abschiebung bedrohten
Roma, die als Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien zu uns kamen: An
allen Orten wird an der Sicherheitszone eines Euro-Paradieses
gebaut. Ein Europa, das diesen Namen verdient, wird daraus
nicht. Vergessen, dass man gegenüber Minderheiten wie Roma und Sinti
besondere Verantwortung hätte. Eine halbe Millionen Zigeuner haben die
Nazis in Europa ermordet. Keine Abschiebungspolitiker aus SPD oder CDU
würde freiwillig in die Elends-Ghettos und
Diskriminierungsverhältnisse ziehen, in die man die Roma abschieben
will. Unser Oberbürgermeister darf - wie er es bezogen auf Obdachlose
und Drogengebraucher schon lange praktiziert - mit offener
Menschenverachtung und sogar mit Angriffen auf das Grundrecht des
öffentlichen Protestes unsere Freundinnen und Freunde im Roma-Camp zur
Zielscheibe populistischer Stimmungen machen...
Es ist gut, dass hier in Düsseldorfer eine vielfältige
Friedensbewegung zusammenarbeitet und nicht aufhört, in kleinen und
größeren Aktionen öffentlich all das in Erinnerung zu rufen. Die
Stimmung im Land zeigt, dass die Mühen all der vielen Gruppen in
kleinen und großen Städten nicht vergebens sind. Ich möchte heute als
Vertreter der christlichen Friedensbewegung an jenen Ausblick für eine
friedlichere Welt erinnern, der im letzten Jahrhundert bereits als
breiter Konsens der Völkerwelt galt. Ich meine, wir brauchen wieder
eine Internationale Gesinnung, wie sie etwa den Christen der ersten
drei Jahrhunderte zu eigen war. Seit 1948 ist eigentlich alles
erklärt, was wir für eine weniger kriegerische und weniger ungerechte
Welt bräuchten.
Abschied von der steinzeitlichen Gruppenmoral
Hätte das Wort der Vernunft auch nur halb so viel Wirkung wie die
Magie der Fahne, die Verhältnisse auf dieser Erde wären in wohl allen
Belangen spürbar besser bestellt. Wer einmal die tränenerfüllte
Rührseligkeit von Männern anlässlich einer patriotischen
Fahnen-Zeremonie erlebt hat, begreift mit welcher Art von
"Gefühlskultur" wir es hier zu tun haben. Unter der Flagge
konstatieren die politischen Führer aller Zeiten, dass ihre Nation zu
schier übermenschlichen Opfern fähig ist. (Stets, wenn so gesprochen
wird, werden Massengräber nicht mehr lange auf sich warten
lassen). Das klare Denken, zu dem die menschliche Großhirnrinde an
sich durchaus in der Lage ist, wird durch Flaggenwehen und Fahneneid
vollständig benebelt. Wertvolle Fähigkeiten des Einzelnen wie das
zwischenmenschliche Mitgefühl werden entweder ausgeschaltet oder
instrumentalisiert, je nachdem, wie es für die abstrakten Feindbilder
oder Heldenkulte der Flaggen-Propaganda gerade günstig ist. Warum ist
dieses Modell, das uns noch unlängst einen zweiten(!) Weltkrieg mit
über 50 Millionen Kriegstoten in Europa beschert hat, noch immer nicht
ausgestorben? Für welche Interessen ist das erhebende kollektive
Gefühl einer national transformierten steinzeitlichen Gruppenmoral in
einer globaler werdenden Welt systemnotwendig? Das ließe sich an
vielen Beispielen leicht aufzeigen: Wie sonst sollte man in einem Land
am Rande des wirtschaftlichen Abgrundes Mehrheiten erzielen für jenes
Milliarden-Futter, das dem Drachen Rüstungsindustrie in den Rachen
geschoben wird? Wie sonst sollte man es begründen und durchsetzen,
dass Flüchtlinge, Asylbewerber, Menschen mit einer anderen Herkunft
schleunigst "unser Land" wieder zu verlassen haben, obwohl sie doch
eben Menschen sind, so wie Du oder ich?
In dieser Welt ist es zu spät für den Kult der Flaggen
"In dieser Welt ist es zu spät für eure Flagge, ja zu spät für alle
Flaggen!" So sagt es ein christlicher US-Missionar seinen Landsleuten
im Antikriegsfilm-Klassiker "Sand Pebbles", den Robert Wise bereits
1966 nach einer Romanvorlage von Richard McKenna drehte. Die Propheten
Israels haben der Menschheit eine Vision geschenkt, die sie aus ihren
Annalen nie wieder streichen kann: Einst werden alle Völker zu einem
Haus kommen, das die Nationen vereint. Sie schmieden aus ihren
Schwertern Pflüge für den Acker, und nicht mehr übt ein Volk wider das
andere den Krieg. "Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem
Feigenbaum, und niemand schreckt ihn auf!" (Micha 4,1-4; vgl. Jesaja
2,2-4) - Jesus von Nazareth verkündet: Aus allen Himmelsrichtungen
werden sie kommen zum Festmahl der Völker (Lk 13,29; Mt 8,11). Die
Gesinnung der Apostelgeschichte lässt sich bereits ohne Mühe als
internationalistisch identifizieren. Einstmals hatte der imperiale
Größenwahn babylonischer Machart die Völker isoliert und einander
entfremdet. Jetzt wird eine Sprache geboren, in deren Raum sich die
ganze Menschheit verständigen kann. - Paulus entzaubert die nationalen
Großkollektive der Weltgesellschaft. Welche Nation, welche Rasse? Das
ist doch völlig egal! Ihr seid jetzt freigekauft von solchen
steinzeitlichen Unterscheidungen (Gal 3,27f; 1 Kor 12,13)! Die frühen
Christen sind Anhänger eines "neuen Weges" (Apg 9,2; 19,9.23; 22,4),
der nicht mehr auf einen Reichsadler, sondern auf die Taube
sieht. Höchstwahrscheinlich ist das Maß ihrer praktizierten
internationalen Solidarität historisch wirklich ein Novum. Dass da
Brüder und Schwestern aus allen Nationen zueinander finden, jenseits
aller Grenzen, gerade das war wohl in den Augen des römischen
Imperiums äußerst suspekt an dieser neuen "Sekte".
Jeder von uns sollte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 mit sich tragen
Heute, zur Stunde, ist es wichtiger denn je, an den frühen
christlichen Internationalismus anzuknüpfen und ihn ohne
Religionsgrenzen ausnahmslos auf die ganze Menschheit zu beziehen. Der
vernünftige und angemessene Ort dafür ist nach meinem Dafürhalten
keine ferne Utopie, sondern die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte, wie sie die Generalversammlung der Vereinten Nationen
am 10. Dezember 1948 verkündet hat. Da gab es kurz nach einem
unvorstellbaren Weltkrieg ein unglaubliches Pfingstfest der Völker,
das der Barbarei ein für alle mal ein Ende bereiten sollte. Man hätte,
noch starr vor Schrecken, gerade jetzt eine Neuauflage der alten Leier
eines Thomas Hobbes präsentieren können, jene Ideologie, dass der
Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Doch stattdessen verkündeten die
Nationen eine Weltzivilisation, in der der Mensch dem Menschen
Schwester und Bruder ist. "Die Anerkennung der allen Mitgliedern der
menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und
unveräußerlichen Rechte" wurde als "Grundlage der Freiheit, der
Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt" an den Anfang
gestellt. Jedes Menschenantlitz war gemeint. Nie wieder würde eine
Nationalflagge dazu berechtigen, irgendeine Unterscheidung
vorzunehmen. - Verbindlich freilich wird diese Erklärung als
"moralisches" Herz der UNO für einen Staat erst durch die
Ratifizierung der zugehörigen Internationalen Pakte, Konventionen,
Zusatzprotokolle und schließlich des Römischen Statuts des
Internationalen Strafgerichtshofes. (An diesem Punkt haben namentlich
die USA als einstige Mitinitiatoren der Deklaration einen
erschreckenden Nachholbedarf!) Nicht nur in Menschenrechtsgruppen
sollte jeder diese Erklärung als kostbares Kleinod mit sich
führen. Was hindert uns daran, uns verantwortlich als Bürgerinnen und
Bürger der UNO zu verstehen? Die Vereinten Nationen brauchen keine
neue Vision. Sie brauchen eine weltweite Bewegung von unten, die sie
gewaltfrei von ihren Besatzern befreit.
Leider lamentieren auch so genannte Fortschrittliche, die noch niemals
die dreißig Artikel gelesen haben, gerne über die Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte von 1948. Sie verwechseln den Geist dieses
Manifestes der Humanität mit solchen Impulsen der bürgerlichen
Revolution des 18. Jahrhunderts, die vor allem auf absolute Garantien
für das Privateigentum der Besitzenden zielten, mit jenen
"unveräußerlichen" Idealen einer Bill of Rights also, die sich mit
Völkermord an "Ureinwohnern", Ausbeutung, Sklaverei und Rassismus sehr
wohl vereinbaren ließen. Tatsächlich geht die Erklärung noch über die
besten liberalen Traditionen des Bürgertums weit hinaus. Da wird nicht
mehr propagandistisch nur eine abstrakte "Gleichheit" und "Freiheit"
aller Menschen - ohne die Unterscheidung nach Rasse, Nationalität,
Geschlecht oder Religion - postuliert. Vielmehr kommt der leibhaftige
Mensch aus Fleisch und Blut in den Blick. Der braucht etwas zum essen
und zum trinken, um überhaupt zu leben und in den Genuss seiner
unantastbaren Würde zu kommen. Dem helfen die Artikel 3 bis 5 rein gar
nichts, wenn niemand den schwarzen Garden, Sklavenhaltern und
Folterknechten wehrt. Der wird, wenn er weder Arbeit noch Einkommen
hat, von der schönsten Moral nicht satt. Der kann krank werden, und
dann braucht er wirksame medizinische Hilfe. Dem nützt das Recht auf
einen Anwalt schier gar nichts, wenn er ihn nicht bezahlen kann. Der
braucht, damit Freiheitsrechte, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung
und Mitgestaltung der Gesellschaft nicht nur fromme Sprüche bleiben,
Respekt, Gerechtigkeit im sozialen Leben und
Bildungsmöglichkeiten... All das mündet in den Artikel 28, der zur
Stunde schier revolutionär klingt: "Jeder Mensch hat Anspruch auf eine
soziale und internationale Ordnung, in welcher die in der vorliegenden
Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden
können."
Diese Erklärung verspricht kein utopisches Seelenheil. Sie verkündet
das einfache Grundprinzip einer Humanität, die als Goldene Regel der
Völker auch von Jesus geteilt wurde (Tob 4,15; Matth. 7,12; Lk 6,31):
Was du brauchst und erwartest, das gestehe jedem anderen Menschen auch
zu. Wer sie als nichtssagendes Programm bürgerlicher Liberalität
belächelt oder diffizil die unmögliche Adaption dieser
Menschenrechtstradition auf die verschiedenen Kulturkreise diskutiert,
der sitzt im falschen Boot der zynischen Relativisten. Er kann sich
eins wissen mit der UNO-Botschafterin der US-Regierung Ronald Reagans,
Jeane Kirkpatrick, die einst die sozialen, wirtschaftlichen und
kulturellen Rechte der Deklaration als "einen Brief an den
Weihnachtsmann" diffamierte (Chomsky 2001, 88f.). Gerade das Veto der
US-Regierungen gegen eine globale Entwicklung dieser Rechte im Sinne
des Artikels 28 zeigt: Hier ist anderes gemeint als jene "Freiheit",
mit der die Falken in den USA pathetisch die Flagge der Weltmacht
schmücken.
Die Gräuel der Geschichte sind nicht Kapitel einer nationalen Geschichte, sondern Niederlagen der ganzen Menschheit
Der Grundimpuls der Deklaration der universalen und unteilbaren
Menschenrechte im Jahre 1948 lautete: "Nie wieder Auschwitz und nie
wieder Krieg!" Die imperialistische Propaganda hat dies längst hinter
sich gelassen und verbreitet die Losung: "Nie wieder Auschwitz und
daher werden wir immer wieder Kriege führen!" Wir werden "unsere
Freiheit" schützen und dafür weiterhin überall, wo wir es für
notwendig erachten, massenhaft Menschleiber zerfetzen. Mit Auschwitz
werden die massivsten Verletzungen der elementaren Menschenrechte
gerechtfertigt. Scheußlicher kann man das Gedenken an die ermordeten
Jugen und Zigeuner der Konzentrationslager nicht pervertieren. "Nie
wieder Auschwitz und daher werden wir immer wieder Kriege führen!"
Ausgiebig findet man unter den Agitatoren dieses Argumentationsmusters
ausgerechnet jene, die an anderer Stelle dem Vergessen das Wort reden
und einen Schlussstrich unter "dieses Kapitel" der nationalen
Geschichte ziehen möchten. Sogar jene, die massenhaft Roma und Sinti
in Elends-Ghettos auf den Gebieten Ex-Jugoslawiens abschieben, führen
"Auschwitz" im Munde. Antisemitismus-Debatten werden hierzulande in
widerlichster Weise parteipolitisch instrumentalisiert. Keiner, der
wirklich hören kann, wird hier auch nur im Ansatz menschlich
glaubwürdige Betroffenheit entdecken können. Und eben all dies
widerspricht dem Geist von 1948, mit dem sich die Völker als Vereinte
Nationen auf den Weg begaben. Die Gräuel der Geschichte sollten eben
nicht länger auf der Ebene nationaler Konkurrenzen und gegenseitiger
Schuldaufrechnungen verhandelt werden. Schluss gemacht werden sollte
mit jener Heiligenschein-Logik von Rechthaberei und Vergeltung, die
"Moral" noch stets zur Selbstrechtfertigung missbraucht hat. Nie
wieder sollte es heißen: "Verzichtet auf euer moralisches Urteil in
dieser oder jener Sache, ihr habt ja sechs Millionen Juden ermordet
und ganz Europa in den Abgrund gestürzt!" Oder: "Ihr habt dafür die
Indianervölker ausgerottet, die Afrikaner versklavt und in Hiroshima
die Weltrekordzeit im Massenmorden überboten!" Und so weiter... So
reden "Patrioten", die auf der Grundlage ihrer Ideologie überhaupt gar
keine Moral haben können. Doch so sollte man nie wieder reden. Man
sollte anfangen, zu begreifen, dass Auschwitz nicht nur die bleibende
Signatur jeder deutschen Geschichtsschreibung, sondern eine
unaussprechliche Niederlage für die gesamte Menschenfamilie
darstellt. Man sollte verstehen, dass in Hiroshima und Nagasaki
Schande über die ganze Menschheit gekommen ist. Man sollte endlich
einsehen, dass jeder Krieg eine Niederlage des Menschengeschlechts ist
und dass jede Folterkammer, jeder Rassenhass und jedes von Menschen
erdachte Menschenelend uns alle betrifft. Endlich sollte jeder
verstehen, dass die grausamen Schrecken der Menschengeschichte eine
Angelegenheit der ganzen Menschenfamilie sind. (Alle, die damit
anfangen, werden ohne gewundene Lamentos selbstverständlich immer den
Beitrag ihrer regionalen Geschichte, ihres Kulturraumes und ihrer
Weltanschauung oder Religion zuerst bedenken.) Endlich sollte an die
Stelle der ekelhaften vaterländischen Geschichtsschreiberlinge, der
aufrechnenden politischen Moralisten und all jener Selbstgerechten,
die im Namen angeblicher "Menschenrechte" vor den Augen aller Wellt
die größten Verbrechen wahr werden lassen, nur noch ein einziges
Antlitz, das Antlitz des Menschen treten. So meint es der Menschensohn
im Evangelium nach Matthäus und so meint es die Versammlung der
Vereinten Nationen im Jahr 1948.
Eine universale weiße Fahne
Wenn es einen Anknüpfungspunkt zur einer Zivilisation der Solidarität
und des Friedens gibt, hier ist sie zu finden, in der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte von 1948. Das Denken ist nicht nur jene
Waffe, die sich zynisch einer grausamen Weltordnung der
Menschengeschichte als Dienstleister unterstellt. Wir wissen
spätestens wieder seit einem halben Jahrhundert, was bereits in drei
tausend Jahren als Erkenntnis für die Menschengeschichte
unwiderruflich offen steht: Das Denken kann auch zivilisatorisch zur
Vernunft reifen, die das Ego-Programm der Steinzeit hinter sich lässt
und zur Menschlichkeit, zur Humanität vordringt. Zwei entgegengesetzte
Globalisierungen treffen heute aufeinander: die Globalisierung in den
Fußstapfen Babylons und der Cäsaren und die pfingstliche
Globalisierung der Humanität, die das Kostbarste aller Völker und
Kulturen in sich trägt. Die globalen Drahtzieher der nationalen und
transnationalen Gier wollen den Himmel erstürmen und verwandeln den
Globus in eine Arena blutiger Konkurrenz. Der Eros der globalen
Netzwerke des Lebens ist der Erde verbunden und kultiviert eine
Ästhetik von der Schönheit der Völker. Die Globalisierung der Götzen
Mammon, Macht und Krieg zerstört das Eigentümliche lebendiger
Lebensräume und installiert weltweit eine flache Einheitskultur des
Profits. Die Globalisierungsfreunde der Humanität setzen dagegen auf
die Kommunikation eines vielfältigen Reichtums, an dem sie sich
respektvoll und neugierig erfreuen. Zivilisation bedeutet für sie, die
Angstherrschaft der Götzen des Todes durch eine Kultur des Lebens zu
entmachten. Wo immer der Druck der Angst für unsere Spezies gemildert
wird, da wird auch der Mensch individuell und kollektiv fähiger zu
einer übergreifenden Solidarität jenseits von nationalen, rassischen,
religiösen oder sonstigen Schranken. Zu viele kleine und große
Vorbilder gibt es in der Geschichte dafür, das dies möglich ist und
nicht als frommer Unsinn abgetan werden darf. Zu viele Hinweise darauf
gibt es, dass dies wirklich werden muss, wenn die Menschheit zusammen
mit den anderen Festgästen auf diesem Planeten überleben soll.
Ich meine, der Götzenkult der Flagge wäre ein äußerer Gradmesser für
diesen Kairos. Schaffen wir es, in den Regionen der Erde - ähnlich wie
die lustigen Völkchen mancher Märchen - in lebensfrohen Symbolen und
Farben unsere Zugehörigkeit zur Menschenfamilie fröhlich anzuzeigen?
Werden wir die blutgetränkten Stoff-Fetzen der Geschichte, die kein
Meister Propper mehr rein waschen kann, verbrennen? Werden wir es
wenigsten versuchen, die universale weiße Fahne zu nähen? Schaffen wir
es, die nationalen Götzenbilder zu verlassen? Gelingt es uns, an einem
guten Ende nur noch die eine bewohnte Erdkugel - umringt von einem
Menschenkreis und anderen Lebewesen - auf einem einzigen, übrig
gebliebenen Banner zu zeigen?
Peter Bürger
Im Düsseldorfer Roma-Camp zeigten Kirchenleute,
Politiker, Friedensbewegte und Prominente deutliche
Solidarität.
Kurzfristig hatten vor allem Kirchenleute, Friedensgruppen, zwei
Asyl-Organisationen und das Obdachlosenmagazin fiftyfifty am 25. Juli
2002 zur Solidarität mit den 500 Roma auf dem Flinger Schützenplatz
eingeladen. Malen für die Kinder beim Stand der ev. Kirche, Trinken,
Essen, miteinander reden und ein großes Kreisforum bildeten den
Rahmen. Fast 200 Düsseldorfer kamen zu diesem Fest der Begegnung von
18 bis 22 Uhr. Hinzu gesellte sich Prominenz, darunter der
Schriftsteller Günter Wallraff, die Künstler Peter Royen,
Prof. Wilfrid Polke und Claudia Rogge, der Lebenskünstler Peter von
der Kö, Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald und ihr Vorgänger
Gerhard Gericke, Franziskanerbruder Matthäus und Dominikanerpater
Wolfgang Sieffert. Sie alle erklärten inmitten eines großen
Kreisforums ihre deutliche Sympathie: "Wir wollen Euch hier im Land
haben, ja wir brauchen euch als Menschen!" Hubert Ostendorf kam von
einem Wohnungslosentreffen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die
Solidarität der Ärmsten in der Stadt zu überbringen. Am späten Abend
waren sich alle Initiatoren einig: Hier geht es um mehr als um
politische Aktion. Dies war ein wunderbares Fest und wirkliche
Begegnung zwischen unterschiedlichsten Menschen.
Kritik am Oberbürgermeister seitens der Anwohner
Unter den anwesenden Politikern stellte sich auch Anneliese Böcker
(CDU) den kritischen Fragen. Sie erhielt zwar keine Zustimmung für
ihre vorgetragenen Positionen, wurde aber für ihre Bereitschaft zum
Zuhören gelobt. Im Vorfeld hatte die ev. Stadtsuperintendentin
Cornelia Osswald in einem sehr kritischen Brief die Gesprächs- und
Hilfsbereitschaft des Oberbürgermeisters Erwin (CDU) eingefordert. -
Ihr kam auch wegen des praktischen Engagements herzliche Sympathie von
allen Seiten entgegen. - Auf dem Fest wurde nun auch seitens der
Anwohner die Kritik am Stadtoberhaupt bestätigt. Ein Initiator der
Unterschriftenliste gegen die Umstände des Roma-Camps richtete sich
über Mikrofon an die Roma: "Wir haben nichts gegen Euch. Ihr seid
Menschen wie wir. Doch wir möchten für alle Seiten gute Verhältnisse
auf dem Platz. Das fordern wir von der Politik und vor allem vom
Oberbürgermeister ein!" Die Ärgernisse, so formulierten andere
Anwohner, ließen sich doch ganz praktisch lösen: "Müssen denn alle
Toiletten zusammen ausgerechnet in der Nähe anliegender Häuser
aufgestellt werden?" Dass sich gerade viele kritische Anwohner
inmitten des Festes zu Wort meldeten und sich für Gespräche öffneten,
werten die Initiatoren als großen Erfolg. Ein jugendlicher
Romavertreter sprach eine herzliche Einladung aus: "Kommt zu uns auf
den Platz. Spielt Fußball mit uns. Wir können uns doch kennen lernen!"
Appell an den Innenminister aus den Reihen der SPD
Ratsfrau Marion Enke teilte mit, SPD, Grüne und die regierende FDP
hätten den Oberbürgermeister zum Einlenken aufgefordert. Immer wieder
wurde neben den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern im
Düsseldorfer Rat der Innenminister in den Beiträgen genannt. Er sei
Ansprechpartner für jene Abschiebungspolitik, die wie ein
Damoklesschwert über den mehr als 500 Roma schwebt. Der Vorsitzende
des SPD-Ortsvereins Flingerbroich, H.-W. Schuster, forderte den
"Genossen Fritz Behrens" in einem Offenen Brief vom 24.7. auf, die
"Forderungen der Roma als berechtigt anzuerkennen und dafür Sorge zu
tragen, dass es zu keiner weiteren Abschiebung mehr kommt." Eines der
Transparente am Hellweg verkündet: "Roma sind auch Europäer!" Daran
knüpfte Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt an: "Mittlerweile leben 15
Millionen Roma in Europa. Es gibt kaum eine Minderheit, über die man
so wenig weiß und über die man gleichzeitig so viele Vorurteile
pflegt. Das geht seit mehr als 500 Jahren so. In dieser Kette steht
die Entscheidung des NRW-Innenministers, Kinder und Jugendliche, die
hier geboren sind, die deutschsprachig aufwachsen und die hier
deutsche Freunde haben, abzuschieben und damit gute Pflanzungen der
Integration einfach auszureißen. Genau hier liegt aber eine große
Chance, das Europa der Zukunft heute zeichenhaft vorwegzunehmen!" Das
müsste offiziell in der Asylpolitik kein Problem sein. Deutschland
könnte die Roma - mit Blick auf die realen Verhältnisse in den
Herkunftsgebieten der Flüchtlinge - endlich als Minderheit anerkennen.
Kein Blick in die Geschichte?
In der kleinen Zeltausstellung vor Ort erläuterte Frau Mirkowitsch vom
"Roma-Center of Integration" für alle Interessierten Wegmarken einer
langen Geschichte. Mehr als eine halbe Millionen Sinti und Roma wurden
von den Nazis ermordet, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den
deutsch besetzten Gebieten Europas. Dazu gehörten auch Teile des
ehemaligen Jugoslawiens, dem Herkunftsland der Düsseldorfer Roma. Dazu
heißt es in einem Brief des Innenministeriums vom 19.7. an den
Flüchtlingsrat Ratingen wörtlich, "historische Begebenheiten" könnten
"keine Grundlage für eine Bleiberechtsregelung" sein. Auch dazu nahm
Dzoni Sichelschmidt von der Roma-Union Stellung: "Die Geschichte der
Nazi-Verfolgung ist heute in der Tat kein zwingendes Argument. Hier
lebt eine andere deutsche Generation in einem anderen deutschen
Staat. Doch die Geschichte bildet einen Hintergrund, vor dem Landes-
und Kommunalpolitiker eine besondere Sensibilität wie bei anderen
Verfolgungsgruppen auch zeigen könnten. Eine Bereitschaft zum Zuhören
und praktische Gesten vor Ort wären ein deutliches Zeichen."
Wir sind die Beschenkten
Zum Schluss des langen Abends fanden sich fast alle Besucher in den
Worten der ev. Stadtsuperintendentin wieder: "Nicht wir waren hier die
Gastgeber. Wir waren heute Gäste, die durch herzliche Menschlichkeit
beschenkt worden sind."
P. Bürger (Ökumenisches Friedensnetz)
Infos zum Roma-Camp Düssseldorf: www.krit.de
Ein Filmprojekt wartet auf eine ganz andere Fortsetzung
Pünktlich zum Deutschlandbesuch von US-Präsident Bush liefen zum Mai
2002 im Düsseldorfer Programmkino Metropol die "Wochen des
US-amerikanischen Antikriegsfilms" an. Die Idee dazu kam aus dem
Ökumenischen Friedensnetz. Zu sehen waren keine pazifistischen
Außenseiterfilme, sondern durchaus sehr erfolgreiche
Hollywood-Produktionen. Für die Themen Hiroshima, Lateinamerika oder
Golfkrieg stand kaum ein Titel zur Auswahl. Doch erstaunlich bleibt
es, wie Drehbuchautoren und Regisseure aus den USA bis in die
Gegenwart hinein vor allem die Erfahrungen des Vietnamkrieges kritisch
umsetzen. Bereits 1966 proklamiert in dem wenig bekannten
Robert-Wise-Klassiker "The Sand Pebbles" ein US-Missionar: "Zu spät
ist es auf dieser Welt für eure Flaggen, für alle Flaggen!" Das Schema
von "Gut und Böse" wird durchbrochen, wenn Coppolas "Apokalypse now"
(1976-79/2000) oder Oliver Stones "Platoon" (1986) ungeschminkt die
Kriegsverbrechen der US-Army auf die Leinwand bringen. Stanley Kubrick
(Full Metal Jacket, 1986) und Joel Schuhmacher (Tigerland, 2000)
zeigen, wie Militär das Individuum zerstört und es in einen
Massenkiller verwandelt. Levinsons "Good Morning Vietnam" (1987) und
"Wag The Dog" (1997) entlarven die Medienlüge als Teil der
Militärpropaganda. An "saubere" Interventionsgründe glaubt zum Schluss
kein Zuschauer mehr. In Malicks "The Thin Red Line" (1998) geht es gar
um die philosophische Suche nach einer ursprünglichen Schönheit und
Unverdorbenheit des Menschen: "Wie hat sich der Krieg - diese Böse -
bei uns eingeschlichen?"
Wer "Snow Falling on Cedars" (USA 2000), Spielbergs "Amistad" oder
"Mississippi Burning" gesehen hat, ahnt: Hollywood ist, wenn es
insgesamt um die Sensibilisierung für Menschen- und Bürgerrechte geht,
mit zahlreichen Titeln viel besser als sein Ruf. Unübersehbar und
spannend ist in jedem Fall speziell die Geschichte des
US-amerikanischen Antikriegsfilms. Kritiker werden einwenden, dass
auch dieses Genre, wenn es auf ein Massenpublikum zielt, eben dem
Kriegsfilm zugehört. Doch diese politische Korrektheit übersieht, dass
Bilder des Krieges und die sich aufdrängenden Fragen in Produktionen
der genannten Art eben viele Menschen erreichen und das
gesellschaftliche Klima mitgestalten.
Kriegspropaganda aus Hollywood?
Die Rückkehr des "II. Weltkrieges" im US-Film hat unlängst noch Titel
hervorgebracht, die weniger zur Kriegsverklärung beitragen (u.a.: The
Sound Of War; Der Soldat Ryan). Es steht aber zu befürchten, dass es
mit Kassenschlagern, die in einer eher kritischen Tradition stehen,
schon sehr bald vorbei sein wird. Das Filmprojekt der Düsseldorfer
Friedensbewegung müsste nunmehr ein anderes Hollywood-Angebot, das
immer zielstrebiger in die großen Kinos drängt, unter die Lupe
nehmen. Romantische und äußerst fragwürdige Verklärungen der frühen
US-Geschichte - "Revolution", "Patriot"... - vermitteln eine
Wertewelt, die nur scheinbar mit der europäischen
Menschenrechtstradition im Einklang steht. Doch diese Beispiele einer
national verengten "Bill Of Rights" sind noch eher harmlos. Der
"Postman" von und mit Kevin Costner bereitet die Zuschauer darauf vor,
wie im Jahre 2013 nach einem globalen Krieg die zerstörte Zivilisation
unter dem Vorzeichen des US-Patriotismus wieder aufersteht. Die Macher
informieren in ihren DVD-Beigaben, wie sehr dieses apokalyptische
Szenarium mit seiner Chance zu neuem Pioniergeist doch fasziniert und
zugleich Lösungen - etwa angesichts der hoffnungslosen Überbevölkerung
des Planeten - anbietet!
Als erschreckendes Beispiel der sich schon länger anbahnenden neuen
Propaganda-Welle des Todes mag das monumentale Kriegsepos "Pearl
Harbour" (USA 2001, Regie: Michael Bay) dienen. Die DVD-Ausgabe
dokumentiert hier ausführlich die intensive Kooperation mit dem
Pentagon und die unglaublich umfangreiche "militärische Unterstützung"
für diese sehr junge Produktion. Mit technischen Höchstleistungen
gelingt der Regie mit "Pearl Harbour" ein Kriegsfilm, der bezogen auf
das Trauma des 11. Septembers 2001 fast wie bestellt
erscheint. Zusammenhalt, so die Botschaft, ermöglicht die Rettung nach
der nationalen Katastrophe. Mit einem Jesus-Wort tröstet der
Militärgeistliche den sterbenden Soldaten wie einen Märtyrer: "Heute
noch wirst du mit mir im Paradies sein. - Geh mit Gott, mein Sohn."
Das "Böse" kommt im asiatischen Gesicht des Feindes zur dramatischen
Darstellung. Während in der Präsidentenumgebung nur ein farbiger
Butler auszumachen ist, bekommt ein anderer Farbiger, ein
unbedeutender Schiffskoch, die Chance, durch seinen unerschrockenen -
wild dargestellten - Dienst am vormals verbotenen Militärgerät zum
Volkshelden aufzusteigen. Sensibler wird freilich die Geschichte eines
weißen Piloten-Duos, das die "wahren Helden" verkörpert,
nachempfunden. (Man wünscht sich, die persönlichen Geschicke von
Kriegsopfern aller Seiten würden innerhalb des Genres vergleichsweise
einfühlsam vermittelt). Der heroische Dienst der Krankenschwestern
wird zum Vorbild. Diese patriotischen Frauen sind keineswegs prüde,
sondern ausgesprochen sexy. Die eilig beschafften Blutkonserven werden
aus sterilisierten CocaCola-Flaschen verabreicht. Den Ruf zum
todesbereiten Rachefeldzug im Schlusskapitel - "Wir fliegen auf
Tokio!" - beantworten alle Piloten brüllend mit "Ja!" Historischer
Ertrag des Einsatzes: bis zu 80.000 Tote in Tokio. (Die spätere Rache
für "Pearl Harbour" - durch "experimentelle" Atombombenabwürfe auf
zwei japanische Städte ohne Vorwarnung - wird mit keiner Silbe
erwähnt!) Der sentimental verklärte Patriotismus dieses Films ist an
den meisten Stellen nicht bloß eine Geschmacksfrage. Inmitten der
althergebrachten Stereotypen der Militärpropaganda und aufwendigster
technischer Effekte ist eine ehrliche Betroffenheit über den Krieg als
Niederlage alles Menschlichen nicht auszumachen. Präsident Roosevelt
resümiert in diesem Opus von 2001: "Amerika hat gelitten, aber auch an
Stärke gewonnen. Die Zeiten haben uns vor eine harte Probe gestellt,
und wir sind daran gewachsen." Man kann sich -mit Tucholsky - des
Verdachtes nicht erwehren, dass hier im Gewande des Toten- und
Heldengedenkens Reklame für einen neuen Krieg gemacht wird.
Nicht minder drastisch und noch "aktueller" wirkt ein neuer
Spitzenreiter des US-Kinos, der im Juni 2002 zeitgleich mit
öffentlichen Warnmeldungen über "schmutzige" Terroristenbomben anlief:
Im Thriller "The Sum of All Fears" (dt. Der Anschlag) legen
Terroristen halb Baltimore mit einem Nuklearsprengsatz in Schutt und
Asche. Das Pentagon war auch hier mit von der Partie. Es unterstützte
die Produktion u.a. mit einem Flugzeugträger, Bombern, Kampfjets,
Marine-Hubschraubern und Mannschaftsbesatzungen, die kein Filmbudget
bezahlen könnte. Solche massive Förderung durch die Armee der USA, die
mit Griffiths´ "Geburt einer Nation" (1915) auf eine fast 100jährige
"Tradition" zurückblicken kann, genießen heute Produktionen wie das
Somalia-Drama "Black Hawk Down", der loyale - die Geschichte neu
schreibende - Vietnam-Film "Wir waren Helden" (bei uns auf allen
Litfass-Säulen prankend) oder das Heldenepos "Windtalkers". Ja,
ausdrücklich dürfen sich jetzt auch die Vietnam-Veteranen wieder als
Heroen fühlen, nach dem Hollywood durch die eingangs genannten Titel
ihren Ruf schwer beschädigt hatte. Passend zum Kampf der USA gegen
eine neue internationale Rechtsordnung läuft der menschenverachtende
Streifen "Rules" (Sekunden der Entscheidung) von William Friedkin: Ein
Kriegsverbrecher, dem wegen eines militärischen Schießbefehls auf
jemenitische Frauen und Kinder der Prozess gemacht werden soll,
erscheint in "Rules" als unschuldig diffamierter Patriot, mit dem sich
der Zuschauer mitfühlend identifizieren soll. So will man dem Publikum
vermitteln, warum US-Soldaten gegenüber einem böswilligen
Internationalen Strafgerichtshof immun bleiben müssen und warum es
moralisch korrekt ist, sogar muslimische Kinder zu
töten. (Entsprechend gab es empörte Proteste muslimischer Verbände in
den USA). Der Beauftragte des Pentagon für die Unterhaltungsindustrie,
Philip M. Strub, kommentiert die Kooperation zwischen Army und
Hollywood so: "Wir begrüßen die Möglichkeit, uns über ein so
machtvolles Medium direkt an das amerikanische Publikum zu wenden."
(New York Times). Filmen, die wie "Courage Under Fire" (1996) keine
wirklich "guten" US-Soldaten im Irakkrieg zeigten, wurde jegliche
Militärhilfe selbstverständlich verwehrt.
"Reality-Show"
Leider zielt der Propaganda-Apparat im Dienste der "demokratischen
Kultur" nicht nur auf das Kino. Besonders der notwendige Nachwuchs der
US-Army wird 2002 mit einem breit gestreuten Kriegs-Computerspiel
animiert. Jeder Teilnehmer des Ego-Shooter-Spiels ist mit seinen
enormen Tötungsleistungen direkt mit dem Anbieter - dem
Pentagon-Server - vernetzt: Ein Baustein in einer propagandistischen
und profitträchtigen "Kultur des Todes", die so offenkundig der vom
katholischen Papst geforderten "Kultur der Liebe" entgegengesetzt ist.
Dan Rather, einer der bekanntesten US-Fernsehmoderatoren, hat die
Unterwerfung der "freien Presse" unter einen überflutenden
US-Patriotismus zur Sprache gebracht und in diesem Zusammenhang
öffentlich eigene Selbstzensur eingestanden. (Junge Welt, 25.6.2002)
Seit Vietnam wissen die Regierenden auch endgültig, dass ihre Wähler
nie wieder Bilder der wirklichen Kriege zu Gesicht bekommen dürfen. Im
Februar 2002 sah sich das Pentagon nach einem Enthüllungsbericht der
"New York Times" über ausgeklügelte Propagandapläne des US-Militärs zu
einem Dementi genötigt. Das Pentagon beabsichtige nicht, zu lügen. Im
Rahmen des "Krieges gegen den Terror" war ein "Büro für strategische
Beeinflussung" (OSI) installiert worden. Bereits im Golfkrieg (1990)
hatte man die PR-Agentur Redon Group in Washington federführend an
Kriegskampagnen beteiligt. Über so genannte "psychologische
Kriegsführung" waren auch 2002 erschreckende Originalzitate aus den
USA zu lesen. Mit Blick auf die Irak-Pläne der US-Regierung hat
Clemens Ronnefeldt (Versöhnungsbund) einige Meldungen
zusammengetragen: Das Washingtoner Center for Strategic Studies (CSIS)
warnt in einer Studie, "ein Luftkrieg (der USA gegen Irak) könnte
nicht so präzise geführt werden, dass `hohe Kollateralschäden und
viele Ziviltote vermieden´ werden könnten" (FR, 28.2.02). Um Protest
und Widerstand an der Heimatfront vorzubeugen, hat die US-Regierung
neue Ideen im Kampf um "Herzen und Hirne" entwickelt. Damit die
öffentliche Meinung in den USA neue Feldzüge mitträgt, hat das
US-Außenministerium die erfolgreichste Werbefrau (Uncle Ben´s Reis,
Hoover-Staubsauger) der USA, Charlotte Beers, für "Public Diplomacy"
eingestellt. Während ausgebildete, professionelle Journalisten
teilweise mit US-Waffengewalt an der Ausübung ihres Berufes in
Afghanistan gehindert werden, hat das Pentagon einer
Hollywood-Produktionsfirma "mit nachgewiesener patriotischer
Legitimation Zugang zu ... Einheiten in Afghanistan, Somalia und auf
den Philippinen" gewährt, "um eine 13 Teile lange so genannte Reality
Show mit dem Titel `Profile von der Front´ zu drehen. `Wir werden
natürlich eine pro-militärische Haltung haben´, erläuterte einer der
Produzenten" (FR, 28.2.02). Die TV-Anstalt ABC hat die Serie bereits
ungesehen gekauft und für die beste Sendezeit vorgeplant.
Ohne eine - auch internationale - Vernetzung des unabhängigen
Journalismus und ohne eine wirksame kritisch-alternative
Medienplattform wird die zunehmend gleichgeschaltete Welt der
Information und Unterhaltung kein Gegengewicht fürchten müssen. Dabei
ist die offenkundigste Form der Manipulation noch am leichtesten zu
entlarven. "Wochen des US-amerikanischen Kriegspropagandafilms", so
müsste die Fortsetzung des eingangs vorgestellten Friedensprojektes
heißen.
P. Bürger (Ökumenisches
Friedensnetz Düsseldorf)
Siehe auch US-Antikriegsfilmwochen
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