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Die frühe Kirche und der Krieg

Von Peter Bürger

Der Rückgriff auf die früheste Kirche ist an sich stets willkommen, wenn es sich nicht gerade um unsere Fragen nach Besitz, Macht und Krieg handelt. Doch eben an dieser Stelle könnte die Historie der Alten Kirche vielleicht sehr bald eine außerordentlich brisante Disziplin werden. Der nachkonstantinischen Kirchengeschichtsschreibung muss wohl insgesamt von einer politisch kritischen Theologie eine Verfälschung mit Methode unterstellt werden. Ärgerlich ist es jedoch, wenn aktuell viel gelesene Kompendien über "Das Christentum" bekannte historische Fakten geflissentlich verschweigen. Dazu gehört auch die Unvereinbarkeit von Taufe und blutigem Soldatendienst.

Viel leichter können die Leser populärer Darstellungen erfahren, welche sonstigen Berufsverbote für die Christen und Taufanwärter der ersten Jahrhunderte galten. Alles, was mit der Herstellung oder kultischen Betreuung von Götzenbildern, mit Aberglauben, Wahrsagerei, Astrologie oder Magie zu tun hatte, war Tabu. Unvereinbar mit der Taufe waren gewiss professionelle Förderung von sexueller Ausschweifung und Promiskuität, also Prostitution und Zuhälterei. Doch auch an jenen Spektakeln der antiken Spaßgesellschaft, die die oberen Klassen mit großen Summen für die eigene Ehre und zum Ruhm ihrer Stadt sponserten, hatte man sich nicht zu beteiligen, weder als Veranstalter, Schauspieler, Künstler oder Gladiator, noch als Zuschauer. (Stattdessen, so noch Augustinus, sollte der konkreten Barmherzigkeit gegenüber den Verelendeten in der Stadt der Vorzug gegeben werden). Gab es daneben zum Kriegsdienst nur einen unverbindlichen Ratschlag, als Getaufter möglichst keine Militärkarriere - zumal eben in heidnischen Lagern - anzustreben? So war es nicht.

In der Zeit zwischen 150 und 300 stellte es die Kirchenführung für Christen allgemein als verboten hin, Soldat zu werden... Kirchliche Schriftsteller dieser Zeit sehen in der Tatsache, dass Christen sich dieser Forderung entsprechend verhalten, die Prophetien vom Friedensreich des Messias verwirklicht.
(Francois Reckinger: Krieg ohne uns, Paderborn 1983, 30f.)
Tertullian (+ 220), der lateinische Vater der Dreieinigkeitsformel, vertritt vehement ein generelles Tötungsverbot für Christen und erblickt in Jesus Weisung an Petrus (Mt 26,52) eine Absage an jeglichen Waffengebrauch:
Wie könnte der Christ Krieg führen, wie könnte er selbst in Friedenszeiten Soldat werden, ohne das Schwert zu tragen, das der Herr verboten hat?
Er hält einen menschlichen Fahneneid auf den weltlichen Herrscher für strikt unvereinbar mit dem Siegel der Getauften und glaubt im übrigen an einen unblutigen Umsturz des römischen Reiches durch das Christentum. Nun steht dieser in seiner montanistischen Phase als "häretisch" Verworfene nicht allein da. Die noch heute hoch angesehene Römische Kirchenordnung des Hippolyt (+ 235) schreibt kategorisch vor:
Wenn ein Taufbewerber oder Gläubiger Soldat werden will, dann weise man ihn zurück, denn er hat Gott verachtet.
Kanon 16 der "Apostolischen Tradition" des Hippolyt verlangt von Soldaten, die sich im Militärstand bekehren, dass sie sich fortan verpflichten, jeglichen Tötungsbefehl zu verweigern. (Der späte Tertullian hatte kompromisslos ihren Austritt aus der Armee gefordert). Militärische Funktionen oder zivile Ämter, die eine Beteiligung an Todesstrafen mit sich bringen, sind Christen schlechthin untersagt. (Noch die spanische Synode von Elivira zu Beginn des 4. Jahrhunderts verhängt über jeden Christen, der ein Verbrechen anzeigt, das mit Todesstrafe geahndet wird, rigoros die Exkommunikation!) Origenes (+ 254), der Nestor der griechischen Theologie, sieht in den Christen die priesterliche Vorhut einer neuen Menschheit:
Wir Christen ziehen das Schwert gegen keine Nation, wir lernen keine Kriegskunst mehr, denn wir sind Söhne des Friedens geworden durch Christus.
Es ist den Christen nicht erlaubt zu töten...
(Als Apologet hat Origenes es dann aber fertig gebracht, das wirksame Gebet der pazifistischen Christen für "gerechte" Kriegsangelegenheiten von Kaiser und Reich geltend zu machen! - Welche "gerechte" Kriegssache dürfte ihm bekannt gewesen sein? Genau hier wird jene verräterische Schizophrenie geboren, die im vierten Jahrhundert die Christenheit im Handumdrehen vollständig zum Krieg bekehren wird: "Die Heiden kämpfen, die Christen beten, damit die Heiden gut kämpfen." (A. Bayet) Unerbittlich gegen eine Anpassung an das Imperium stritt Cyprian, Bischof von Karthago (+ 258). Über ein Gespräch mit Donatus schrieb dieser Märtyrer:
Sieh nur,... wie Kriege mit dem blutigen Gräuel des Lagerlebens über alle Länder verbreitet sind! Es trieft die ganze Erde von gegenseitigem Blutvergießen; und begeht der einzelne einen Mord, so ist es ein Verbrechen; Tapferkeit aber nennt man es, wenn das Morden im Namen des Staates geschieht. Nicht Unschuld ist der Grund, der dem Frevel Straflosigkeit sichert, sondern die Größe der Grausamkeit.
Ähnlich merkt übrigens auch Seneca zur Moral des Staatslebens an:
Einzelne Mordfälle bringen wir zwar unter Kontrolle, wie aber steht es mit dem dauernden Kriegsführen und dem glorreichen Verbrechen des Völkermords?
(zit. Wengst 1986, 31)

In der "pastoralen" Praxis scheint die Unvereinbarkeit von aktivem Militärdienst und Christsein bereits in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts erheblich aufgeweicht worden zu sein. Arrangements mit dem Reich, begünstigt durch die "Bekehrung" höherer Schichten vor der letzten großen Verfolgungswelle, erfolgten keineswegs erst mit Kaiser Konstantin. Nun aber wird wie über Nacht alles verdreht. Soeben noch hatte Kirchenvater Lactantius in seinen "Divinae Institutiones" (411) proklamiert:

Wenn Gott das Töten verbietet, ist nicht nur das Ermorden von Menschen nach Räuberart verboten; das verbietet auch schon das staatliche Gesetz; sondern es ist dann jede andere Menschentötung verboten, auch eine solche, die nach weltlichem Recht sehr wohl erlaubt wäre.
Doch nun, passend zur Wende, rühmt er die Erscheinung eines Engels, der dem Kaiser Licinius ein Gebet lehrt, das den Truppen einen Sieg über den Rivalen und Christenfeind Maximinus Daja bescheren soll.

Seite zuletzt geändert: 2002-11-06 wk.
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